Rede: Arbeitsplätze in der Stahlindustrie sichern

Die Bedeutung der Stahlindustrie in Europa und vor allem hier in Deutschland für unseren Industriestandort und für die in der Stahlindustrie Beschäftigten ist unbestritten. Fast 90.000 Personen arbeiten in Deutschland in der Stahlbranche. Das Ziel der Politik muss sein, diese Arbeitsplätze und Einkommen der Beschäftigten zu erhalten. Ein Hauptfaktor für die schwierige Lage der Stahlindustrie ist die schwache Konjunktur. Für die Nachfrage in der Bundesrepublik und in Europa ist die Bundesregierung mit ihrer Austeritätspolitik und der Politik der schwarzen Null entscheidend mitverantwortlich. Der erste Punkt zur Hilfe der Beschäftigten in der Stahlindustrie wäre also, endlich zu investieren statt zu sparen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hubertus Heil hat recht: Die Bedeutung der Stahlindustrie für Deutschland und Europa ist nicht zu unterschätzen. Etwa 25 Prozent der europäischen Stahlproduktion findet in Deutschland statt. Das ist für uns ein sehr wichtiger Faktor. 90 000 Personen arbeiten in diesem Bereich. Alles wurde gesagt. Man braucht dem nichts mehr hinzuzufügen.

Vielleicht ist aber noch hinzuzufügen, dass die Menschen, die diesen Job machen, ihn unter schwersten Arbeitsbedingungen machen: Hitze, Staub und Lärm. Ich glaube nicht, dass viele von uns hier Lust hätten, das zu machen. Ich sage: Auch deshalb haben die Menschen unseren Schutz, den Schutz der Politik verdient, wenn es um ihre Arbeitsplätze geht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ziel der Politik muss sein, Arbeitsplätze und Einkommen der Beschäftigten in der Stahlindustrie zu erhalten. Die Europäische Kommission spricht in ihrer Mitteilung vom 16. März über die Stahlindustrie von „einer Reihe ernster Herausforderungen, die auf weltweite Überkapazitäten, einen dramatischen Anstieg der weltweiten Exporte und eine beispiellose Welle unlauterer Handelspraktiken zurückzuführen sind.“

Ein weiterer entscheidender Faktor für die Lage der Stahlindustrie ist allerdings die schwache Konjunktur – auch das schreibt übrigens die Europäische Union – in Deutschland, in Europa und weltweit. Mit dieser schwachen Konjunktur geht eine schwache Nachfrage nach Stahl einher. Die EU-Kommission schreibt: „Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten können der Stahlindustrie und anderen energieintensiven Branchen helfen, indem sie Investitionen fördern“. Diesen Punkt der Nachfrage, der Investitionsförderung klammern Sie in Ihren Anträgen leider völlig aus. Ich sage Ihnen: Das ist ein Problem, weil Sie für diese Nachfrageschwäche in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in Europa Mitverantwortung tragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer ganz Europa eine Austeritätspolitik aufzwingt, dämpft die Nachfrage in Europa. Wer trotz Nullzinsen die schwarze Null wie eine Monstranz in einer Fronleichnamsprozession vor sich herträgt, dämpft die Nachfrage und ist damit für die Situation in der Stahlindustrie mitverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Dass Sie das nicht gerne hören wollen, verstehe ich ja, aber es ist die Wahrheit, und das wissen Sie genau.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Es lebe die Verschuldung zulasten nachfolgender Generationen!)

Auch die EU-Kommission legt Ihnen ans Herz, man möchte doch bitte beherzt investieren. Wenn Sie sich die Investitionen in Deutschland anschauen, die staatlichen und die privaten, sehen Sie, dass wir hier einen Nachholbedarf haben, den Sie mit Ihrer Politik mit auslösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zu China. Ja, die Konjunktur geht auch dort zurück. Die Überkapazität beim Stahl wird auf das Doppelte des jährlichen Produktionsvolumens geschätzt, das in ganz Europa vorhanden ist. Die Stahlproduktion in China findet unter Lohn- und Umweltdumping statt. Schon jetzt laufen mehrere Verfahren wegen unlauterer Praktiken gegen China. Die Überproduktion hat den weltweiten Verfall der Stahlpreise befördert. Das bringt die europäische und auch die deutsche Stahlindustrie natürlich in einen verzweifelten Kampf um Marktanteile. Ein solcher Wettbewerb ist nicht fair. Dies zeigt aber auch deutlich, wo die Probleme im freien Handel sind. Es erstaunt mich schon ein bisschen, dass ausgerechnet die, die, wenn sie morgens aufstehen, statt zu beten, lieber dreimal „Freier Handel!“ schreien, jetzt zu Maßnahmen zur Eingrenzung des Handels aufrufen. Das ist zumindest ein kleiner Widerspruch.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die europäische Stahlindustrie, insbesondere die deutsche, produziert im Vergleich zur chinesischen bei weitem umweltfreundlicher und zu vernünftigeren Löhnen. Deshalb stimme ich Ihnen an dieser Stelle zu: Es ist unsere Aufgabe, zu verhindern, dass umweltfreundlichere und besser bezahlte Arbeitsplätze zugunsten einer Stahlproduktion zu Dumpingbedingungen, die mit Belastungen der Umwelt einhergeht, verschwinden. Ja, da haben Sie recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Allerdings muss man auch sagen, dass die heutige Situation der Stahlindustrie bisher kaum etwas mit Klimapolitik zu tun hat. Im Gegenteil: Bisher war die deutsche Stahlindustrie vom Zertifikatehandel eher begünstigt. Übrigens haben die Stahlkonzerne unterschiedlich reagiert: Während das Geld im Saarland unter dem Dach einer Stiftung eher in die Rücklagen gesteckt wurde, haben es andere an die Aktionäre gegeben. Die haben jetzt natürlich ein besonderes Problem; auch darüber sollten Sie einmal nachdenken, meine Damen und Herren.

Es geht darum, bei der Vergabe weiterer Zertifikate natürlich auch darauf zu achten, dass die Stahlindustrie, die die Probleme schon bei weitem besser als andere gelöst hat, nicht in einer Weise belastet wird, dass es zur Verschiebung der Produktion von vernünftigen hin zu unvernünftigen Bedingungen kommt; damit bin ich einverstanden. Aber es ist auch richtig, dass die Aussage: „Wir müssen bei der Klimapolitik auch darauf achten, wie die Bedingungen der Stahlindustrie sind“ durch eine solche Position nicht weggewischt wird. Auch die Stahlindustrie bei uns hat sicher noch Möglichkeiten, klimapolitisch nachzurüsten, ohne ihre Wettbewerbsposition zu gefährden. Das müssen wir fördern, allerdings ohne dass es für die Stahlindustrie zu einem Wettbewerbsnachteil kommt.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN)