Gesetzentwurf zu Leiharbeit und Werkverträgen: Ein Schlag ins Gesicht für alle Leiharbeitsbeschäftigten

Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind Beschäftigte zweiter Klasse. Sie werden von Unternehmen strategisch eingesetzt, um den Kündigungsschutz zu umgehen, Stammbelegschaften zu disziplinieren und das Tarifsystems zu durchlöchern. Der Durchschnittsverdienst von Leiharbeitsbeschäftigten liegt bei 1700 Euro im Monat, ein Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle. Da hat meine Kollegin Sahra Wagenknecht Recht, wenn Sie sagt: „Leiharbeit ist moderne Sklaverei!“

Der geplante Gesetzentwurf der Bundesregierung wird an diesem zutiefst ungerechten System nichts ändern. Im Gegenteil. Das geplante Gesetz fällt sogar noch hinter das bestehende Recht zurück!

Unsere wichtigsten Kritikpunkte am Gesetzentwurf der Bundesregierung auf einen Blick:

LEIHARBEIT WIRD ALS ZWEI-KLASSEN-SYSTEM DAUERHAFT ZEMENTIERT

Künftig ist es legal, Dauerarbeitsplätze durch Leiharbeit zu ersetzen. Denn die geplante Höchstüberlassungsdauer bezieht sich nicht auf Arbeitsplätze, sondern nur auf den einzelnen entliehenen Beschäftigten. Leiharbeit wird zukünftig nicht auf ihre Kernfunktion reduziert, dient nicht der Flexibilisierung, sondern der Umgehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dies ist unserer Ansicht nach sogar europarechtswidrig. Begrenzende Regelungen gibt es nur bezogen auf die Einsatzdauer des einzelnen Leiharbeitsbeschäftigten. Wenn man bedenkt, dass die Hälfte aller Leiharbeiter nicht länger als drei Monate beschäftigt ist, ist eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten außerordentlich großzügig. Die darf dann auch noch überschritten werden, wenn ein Tarifvertrag Anwendung findet.

Gleiche Bezahlung nur für einen Bruchteil der Beschäftigten

Gleiche Bezahlunggibt es erst nach neun Monaten – oder bei entsprechendem Tarifvertrag sogar erst nach fünfzehn Monaten! Auch hier profitieren die wenigsten Leiharbeitsbeschäftigten von der Regelung. Denn knapp Dreiviertel von ihnen arbeiten weniger als neun Monate in einem Betrieb und erhalten damit keine Gleichbezahlung. Völlig inakzeptabel ist darüber hinaus die Erlaubnis, denselben Leiharbeitsbeschäftigten nach einer kurzen Karenzzeit von drei Monaten wieder im selben Betrieb bei gleicher Tätigkeit einzusetzen wie zuvor. Derselbe Beschäftigte muss erneut neun Monate darben, bis er einen Anspruch auf Gleichbezahlung hat. Hier wird zum Karussellfahren eingeladen. Solche Regelungen kann man nicht loben, auch nicht als guten Kompromiss bezeichnen.

Scheinwerkverträge werden weniger riskant

Derzeit kann sich bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung durch Scheinwerkverträge der betroffene Arbeitnehmer auf ein festes Arbeitsverhältnis im Einsatzbetrieb einklagen. Zukünftig entfällt dies, wenn der Arbeitnehmer frühzeitig – also zum Beispiel bei Antritt des Leiharbeitsverhältnisses – erklärt, das er bei illegaler Leiharbeit auf ein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzbetrieb verzichtet. Trotz illegaler Arbeitnehmerüberlassung entstehet so kein Anspruch auf entsprechende Entlohnung und Beiträge zur Sozialversicherung gegenüber dem Entleiher. Und noch wichtiger: Der dahinter liegende Straftatbestand der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Entleiher entfällt, es bleibt lediglich die Ordnungswidrigkeit der illegalen Arbeitnehmerüberlassung. Das ist eine drastische Verschlechterung gegenüber dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung. Durch diese Regelung wird aus einem ehemaligen Straftatbestand eine Ordnungswidrigkeit gemacht, die in der Praxis kaum Konsequenzen für den Entleiher nach sich zieht. Er kann sich über ein geringes Bußgeld freikaufen und Millionen sparen, wenn er sich direkt bei Arbeitsaufnahme einen Widerspruch von den Werkvertragsbeschäftigten als Freibrief geben lässt. Man kann sich einfach ausmalen, was das in der Realität bedeutet.
 

Angesichts dieser Mängel ist geradezu grotesk, wenn uns Kollege Paschke von der SPD vorwirft, mit unserer Kritik Populismus zu betreiben. Zumal auch anerkannte Arbeitsrechtler*innen wie Christiane Brors, Wolfgang Däubler und Peter Schüren unsere Kritikpunkte uneingeschränkt teilen! Ist es nicht vielmehr populistisch, wenn man so tut, als würde das Gesetz Verbesserungen bewirken, obwohl es völlig an der Realität vorbei geht?

Dazu habe ich mich heute auch im Plenum geäußert:

 

Debattiert wurde heute im Plenum unter anderem den Gesetzentwurf der Bundesregierung und den Antrag „Etablierung von Leiharbeit und Missbrauch von Werkverträgen verhindern“ von mir und meiner Fraktion.

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Download IconUnseren Antrag „Etablierung von Leiharbeit und Missbrauch von Werkverträgen verhindern“ heruntergeladen

 

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