Klaus Ernst (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass sich gerade einige von der CDU vom Acker machen, ist symptomatisch für dieses Thema. Ich habe den Eindruck, das gilt auch für das, was Sie selbst im Parlament beschlossen haben. Es war ein unheimliches Gewürge, bis dieser Mindestlohn zustande kam. Es hat fast ein Jahrzehnt gedauert, ein Jahrzehnt, in dem Sie für die niedrigsten Löhne in dieser Republik mit verantwortlich waren. Jetzt haben Sie ein Gesetz gemacht. Ich sage Ihnen: Getraut habe ich Ihnen bei diesem Thema nie. Aber was wir jetzt erleben, ist schon ein seltener Vorgang. Sie haben all dem zugestimmt, was jetzt Gesetz ist, sabotieren aber nun den Mindestlohn und demontieren die Ministerin, die dafür verantwortlich ist. Das ist ein unglaublicher Vorgang.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit Ihnen als Koalitionspartner braucht man wirklich keine Feinde mehr. Sie behaupten, das sei ein bürokratisches Monster, weil Arbeitszeiten erfasst werden müssen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Weil Arbeitszeiten erfasst werden, handelt es sich hierbei um ein bürokratisches Monster. Wie soll denn eine Abrechnung auf Stundenlohnbasis überhaupt sinnvoll stattfinden, wenn die Arbeitszeit nicht erfasst wird? Wie soll das gehen? Wenn die Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeiten nicht eingehalten wird, ist ein Mindestlohn nicht kontrollierbar. Offensichtlich ist das Ihr Interesse. Das soll natürlich nur bei Löhnen gelten.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie fahren mit dem Auto zur Tankstelle, aber es wird nicht erfasst, wie viel Liter Sie in den Tank hineinschütten. Jeder wird sagen: Das ist blanker Unsinn. Zu meinen bayerischen Freunden: Wenn Sie im Biergarten ein paar Maß Bier trinken, aber die Kellnerin nicht erfasst, wie viel Bier Sie getrunken haben, ist eine Abrechnung nicht möglich.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe den Eindruck: Ihre Kampagne gegen den Mindestlohn haben Sie nach fünf Maß Bier gemacht, so ein Unfug ist das.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bürokratiemonster: Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft – ich weiß nicht, ob Sie wissen, wer das ist; das sind die, die kontrollieren sollen, was wir hier an Gesetzen machen – sagt: Ausnahmeregelungen erzeugen die Bürokratie. – Ich möchte gleich noch aus dem Magazin dieser Gewerkschaft zitieren. Ihr Vorsitzender Dewes hatte bei der Anhörung zum Mindestlohn im Jahre 2014 gesagt, je mehr Ausnahmen das Mindestlohngesetz vorsehe, desto aufwendiger werde die Kontrolle. Wenn Sie jetzt bürokratischen Unfug kritisieren, dann müssten Sie Ihre Ausnahmeregelungen kritisieren. Sie sind für die schwierige Kontrolle bei diesem Thema verantwortlich.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die Kontrolleure sind die Ausnahmeregelungen nicht nachvollziehbar. Ich möchte aus dem Magazin des BDZ zitieren: „Für den BDZ war und ist es dabei nicht nachvollziehbar, warum für mobile Tätigkeiten ohne sachliche Begründung Ausnahmetatbestände geschaffen wurden. Besonders in den für Schwarzarbeit anfälligen Branchen wie dem Transport- oder Taxigewerbe ist es für wirksame Kontrollen entscheidend, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit festzuhalten.“
Soweit die Kontrolleure. – Wenn Sie diese Dokumentationspflichten aufweichen wollen, dann stellen Sie sich vor diejenigen, die an diesem Gesetz nicht interessiert sind und sich auch nicht um die Einhaltung dieses Gesetzes kümmern. Sie stellen sich vor diejenigen, die in dieser Frage ein höchstes Maß an krimineller Energie haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Übrigen wissen Sie selber, dass eine Reihe dessen, was Sie kritisieren, schon lange gilt. Arbeitszeiten müssen in vielen Bereichen schon immer erfasst werden. Wie wollen Sie überhaupt Überstunden erfassen, wenn Sie nicht wissen, was die Regelarbeitszeit ist? Wie wollen Sie das machen? Das ist vollkommener Unsinn.
Der zweite Akt der Sabotage ist das, was Sie mit dem Personal machen. Die Zuständigen sagen: Wir brauchen 2 500 zusätzliche Personalstellen. – Sie machen in dieser Frage viel zu wenig. Wir wissen, dass in diesem Bereich viel Personal fehlt. Am deutlichsten wird Ihre Haltung am Beispiel des sehr geschätzten Michael Fuchs. Er ist leider heute nicht da. Es tut mir wirklich leid, dass er jetzt nicht mitkriegt, wie ich zitiere, was er selber gesagt hat. Wissen Sie, was Herr Fuchs gesagt hat? Ich habe es kaum glauben können. Er hat gesagt:
Überall fehlen Polizisten. Aber wir stellen jetzt 1 600 Zöllner ein, um den Unternehmen … auf die Finger zu schauen. Das versteht doch kein Mensch!
Was glauben Sie eigentlich, was die in der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Tätigen über so etwas denken? Das ist ihre Arbeit. Sie haben doch den Eindruck, dass die Politik überhaupt nicht daran interessiert ist, dass kontrolliert wird, wenn solche Aussagen von einem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion kommen. Er sollte sich schämen und bei den Damen und Herren für den Unsinn, den er erzählt hat, entschuldigen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es geht hier nicht um ein Bürokratiemonster, sondern es geht um die Existenzgrundlage von Menschen, die von diesem Lohn leben müssen. Notwendig sind nicht weniger Kontrollen, sondern mehr Überprüfung und weniger Ausnahmeregelungen, so wie wir es in unserem Antrag fordern.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Bernd Rützel (SPD))