Bundestagsabgeordnete können TTIP-Dokumente weiterhin nicht einsehen – «Leseraum» in US-Botschaft nur für Regierungsmitarbeiter

BERLIN (AFP) – Bundestagsabgeordnete haben auch nach
Einrichtung eines «Leseraums» in der US-Botschaft in Berlin keinen
Einblick in wichtige Dokumente zum geplanten Freihandelsabkommen
zwischen der EU und den USA (TTIP). Wie aus einem Schreiben des
Bundeswirtschaftsministeriums an den Bundestags-Wirtschaftsausschuss
hervorgeht, das der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag vorlag,
können Abgeordnete den Leseraum nicht nutzen. Zutritt haben demnach
nur Regierungsmitglieder, die auf einer offiziell von der Regierung
übermittelten Liste aufgeführt sind. Die US-Botschaft habe
angegeben, ein Zugang für Abgeordnete nationaler Parlamente sei
derzeit nicht vorgesehen, heißt es in dem Schreiben.
In dem Leseraum, der seit dieser Woche zur Verfügung steht,
sollen die sogenannten konsolidierten Verhandlungsdokumente zu TTIP
ausliegen. Dabei handelt es sich um Textvorschläge der EU und der
USA sowie Änderungsvorschläge für die Verhandlungen. Die
konsolidierten Dokumente waren zuvor für Vertreter der
EU-Mitgliedstaaten nur in einem Leseraum in Brüssel einsehbar.
«Dass deutsche Regierungsbeamte bei der anderen Seite des
Verhandlungstisches um Einsicht in die gemeinsamen Dokumente bitten
müssen, die in ihrem Namen verhandelt werden, ist nicht akzeptabel»,
erklärte Linksfraktionsvize Klaus Ernst in Berlin. Die Angabe der
Regierung, sie setze sich «mit Nachdruck» für eine
Einsichtmöglichkeit auch für die Abgeordneten ein, zog Ernst in
Zweifel. «Diese Geheimnisklüngelei ist unerträglich», resümierte er.
«Von Transparenz kann weiterhin keine Rede sein.
In dem Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es, die
Einrichtung von Leseräumen in US-Botschaften sei lediglich als
»erster Schritt« zu werten. Dies sei dem US-Handelsbeauftragten auch
mitgeteilt worden. Die Regierung erwarte »weitere Verbesserungen
beim Zugang zu konsolidierten Texten«, beispielsweise »in Form einer
sicheren Datenbank, auf die Zugriff genommen werden kann. Eine
solche Datenbank könnte gegebenenfalls auch für den Deutschen
Bundestag zugänglich gemacht werden«. Darüber verhandle die
EU-Kommission mit der US-Seite.
Die Frage der Transparenz begleitet die Gespräche über das
umstrittene Handelsabkommen TTIP von Anfang an. Nach heftiger Kritik
unter anderem von TTIP-kritischen Gruppen und aus dem
Europaparlament versprach die neue EU-Kommission unter Jean-Claude
Juncker mehr Offenheit. Seit Anfang des Jahres stellt die Kommission
Unterlagen zu den Verhandlungen ins Internet. Allerdings sind dort
Textvorschläge nur von der EU-Seite verfügbar, nicht von den USA.