Rede: Höhere Standards und mehr Demokratie statt TTIP und CETA

Wir brauchen einen Neustart der Handelspolitik. Denn TTIP und CETA haben eine völlig falsche Grundausrichtung. Da geht es um den Abbau von Regeln und Standards sowie die Einschränkung demokratischer Entscheidungsspielräume. Was wir aber brauchen, ist mehr Demokratie sowie eine robuste ökologische und soziale Standardsetzung im internationalen Handel.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Herr Fuchs, Sie haben gerade eine Rede gehalten, die ich insofern fantastisch finde,

(Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Sehr gut!)

als sie den besten Beweis geliefert hat, warum TTIP und CETA nicht notwendig sind.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Bundesrepublik Deutschland ist Exportweltmeister gewesen und hat aus Ihrer Sicht hervorragende Überschüsse; wir sehen sie problematisch. Das haben wir alles ohne TTIP und ohne CETA hinbekommen.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Ja, ja! Bloß nicht besser werden! ‑ Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Muss denn immer alles so bleiben, wie es ist?)

Wir brauchen diese Abkommen nicht. Der Export funktioniert auch ohne die Handelsabkommen, die Sie unbedingt wollen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich sehe am Glitzern in Ihren Augen, wie sehr Sie sich über diese Debatte hier freuen; Sie hätten ja am liebsten, dass das ganze Thema im stillen Kämmerlein behandelt wird. Sie können sich übrigens noch viel mehr freuen, Herr Fuchs und Herr Pfeiffer. Denn am 10. Oktober dieses Jahres werden schätzungsweise mehrere 10 000 Menschen in Berlin gegen diese Abkommen demonstrieren.

(Peter Beyer (CDU/CSU): Organisiert von der Protestmaschinerie!)

Es freut uns, dass das so ist. Ich hoffe, dass sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Protest gegen Ihre Lobbypolitik für Teile der Industrie durchsetzen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünen ist richtig.

(Beifall beim BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir brauchen einen Neustart in der Handelspolitik. Wir brauchen das Vorsorgeprinzip. Das bedeutet, dass Produkte, die auf den Markt kommen, erwiesenermaßen unschädlich sein müssen und nicht erst hinterher nachgeschaut wird, ob es eine Schadenersatzklage gibt, wie zum Beispiel in den USA. Wir brauchen die Setzung robuster ökologischer und sozialer Standards. Das alles ist in diesem Antrag der Grünen beinhaltet. Wir haben dieselbe Position.

Wir sagen auch: All die Standards, die gesetzt wurden, übrigens auch positiv in den USA ‑ Herr Fuchs, Sie haben hier richtige Beispiele genannt ‑, dürfen nicht der Handelspolitik zum Opfer fallen. In den USA bestehen dieselben Ängste wie bei uns hinsichtlich eines Abbaus der Standards. Das gilt auch für das Finanzwesen, Herr Fuchs; das wissen Sie ganz genau. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Zahl der Kritiker an den Handelsabkommen nimmt immer mehr zu. Laut Wirtschaftswochedroht Frankreich jetzt damit, die Verhandlungen platzen zu lassen. Ja, die Franzosen sind mutig.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Sie müssen es ja wissen! Frankreich ist ja auch unglaublich erfolgreich in der Wirtschaftspolitik! ‑ Max Straubinger (CDU/CSU): Das liegt bestimmt an der sozialistischen Wirtschaftsweise!)

Und wie ist es bei uns? Ich möchte einmal Herrn Gabriel, unseren Wirtschaftsminister, zitieren. Er sagte hier im Plenum ‑ Zitat ‑:

Aber den Glauben, wir hätten es im Kreuz, gegen den Rest Europas den Investitionsschutz komplett wieder aus den Verhandlungen herauszunehmen, den habe ich nicht.

So viel Zaudern! Nun hat er doch ein breites Kreuz; er könnte es in diesen Verhandlungen doch einmal zeigen, statt sich immer bloß zu Glaubensfragen zu äußern. Ob er daran glaubt oder nicht, ist nicht die Frage. Die Frage ist, was er tut, um diese Positionen durchzusetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Widerstand wird immer größer: Österreich, Frankreich und Ungarn. Wir sind in dieser Frage mit unserer Position jedenfalls nicht alleine.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Sehr alleine!)

Ich zitiere die Berliner Zeitung vom 11. September 2015, die die Schiedsgerichte so beschrieben hat, Herr Fuchs ‑ das ist übrigens auch der Unterschied zu dem, was früher in den Handelsabkommen enthalten war ‑:

Mittlerweile hat sich eine regelrechte Klageindustrie entwickelt.

‑ Übrigens nicht Empörungsindustrie, Herr Pfeiffer, sondern Klageindustrie.

(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Darauf kommen wir nachher!)

Die Zahl der Klagen

‑ vor diesen Schiedsgerichten ‑

hat sich in den vergangenen 20 Jahren verfünfzigfacht, mit steigender Tendenz. … Ganz offenbar dient der Investitionsschutz nicht mehr in erster Linie dem ursprünglichen Zweck, Unternehmen vor staatlicher Willkür zu schützen. Er ist selbst zum Geschäft geworden.

Vor allem für die Beteiligten! Das ist auch ein Grund dafür, dass wir sagen: Diese Schiedsgerichte brauchen wir nicht; sie müssen weg.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt haben wir so eine Position auch von der SPD; ich verstehe sie nicht richtig. Es wird gesagt: Wir haben mit dem internationalen Handelsgerichtshof jetzt doch eine andere Position. – Kolleginnen und Kollegen, bitte lest euch CETA durch! Da sind die Schiedsgerichte drin und nicht ein internationaler Handelsgerichtshof. Von Malmström bis Gabriel, alle sagen: Das kann nicht mehr verändert werden. ‑ Wenn Sie diese Schiedsgerichte bei CETA akzeptieren, dann können 80 Prozent der amerikanischen Unternehmen über Kanada klagen, weil sie dort einen Standort haben.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Kollege Ernst, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rosemann von der SPD?

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Freilich.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Rosemann.

Dr. Martin Rosemann (SPD):

Herr Kollege Ernst, weil Sie eben über das breite oder nicht breite Kreuz von Herrn Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gesprochen haben:

(Sigmar Gabriel, Bundesminister: Das ist eindeutig zu breit! ‑ Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Ja, das ist unstrittig!)

Würden Sie vielleicht freundlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass die Europäische Kommission ihre Haltung in der Frage der Schiedsgerichte massiv geändert hat, dass sie keine Schiedsgerichte mehr, sondern einen internationalen Handelsgerichtshof will und dass diese veränderte Haltung ganz maßgeblich auf zwei deutsche Sozialdemokraten zurückgeht, nämlich auf Sigmar Gabriel und auf den Berichterstatter und Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange?

(Beifall bei der SPD ‑ Volker Kauder (CDU/CSU): Nein!)

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Natürlich nehme ich das zur Kenntnis. ‑ Ich habe aber schon in der letzten Rede gesagt und will hier noch einmal sagen: Da passiert etwas sehr Seltsames. Es wird nämlich so getan, als würde man mit dieser Position die privaten Schiedsgerichte tatsächlich verhindern. Das tut man aber nicht, weil die privaten Schiedsgerichte ‑ ich habe gerade versucht, das auszuführen ‑ in CETA, also in dem Abkommen mit Kanada, enthalten sind. Da sind sie drin, und da bleiben sie auch drin, weil das Abkommen nicht verändert werden soll.

Da 80 Prozent der Unternehmen in den USA über Kanada in Deutschland und in Europa klagen können, weil CETA die Schiedsgerichte beinhaltet, nützt Ihnen ein internationaler Handelsgerichtshof überhaupt nichts, sondern wenn Sie CETA nicht ablehnen, dann akzeptieren Sie letztendlich private Schiedsgerichte. Das ist der Zusammenhang.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‑ Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Die gibt es doch jetzt in Deutschland auch schon! Meine Güte! Diese Argumentation tut ja weh!)

Ich komme zu meinem nächsten Punkt: Selbst wenn Sie diesen internationalen Handelsgerichtshof hätten ‑ ich gehe davon aus, dass es eine gewisse Zeit dauern wird, bis wir ihn kriegen ‑, hätten Sie folgendes Problem: Auch das ist eine Sondergerichtsbarkeit. Vor diesem Gericht können nur die Unternehmen gegen die einzelnen Staaten klagen. Kein Bürger Europas hat die Möglichkeit, vor diesem internationalen Handelsgerichtshof zum Beispiel dagegen zu klagen, dass irgendein Konzern aus Amerika, aus Kanada oder sonst woher die Umwelt versaut und die Standards nicht einhält. Dafür müsste er vor ein deutsches Gericht gehen, wenn er deutscher Bürger ist. Für Franzosen und Italiener gilt das entsprechend. Das ändern Sie mit diesem internationalen Handelsgerichtshof überhaupt nicht.

Deshalb sage ich: Wir brauchen auch keinen internationalen Handelsgerichtshof; wir brauchen keine Sondergerichte. Die USA, Kanada, Frankreich, Italien und Deutschland sind Rechtsstaaten. Wenn jemand klagen will, dann soll er es da tun, wo er lebt, und damit hat sich das.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der SPD, aufgrund Ihrer Frage und Ihrer Einlassung vorhin muss ich natürlich fragen: Welche Position hat eigentlich die SPD? Was will sie denn eigentlich mit diesem Schlingerkurs gewinnen? Ich kenne doch die Debatte. In der SPD sind langsam immer mehr Leute frustriert, weil sie nicht mehr wissen, wohin Sie wollen.

Ich möchte den Vorsitzenden der IG Metall zitieren, weil immer so getan wird, als würde durch CETA Wachstum entstehen. Er hat gesagt: Da hat das Wetter mehr Einfluss auf das Wachstum als das Handelsabkommen.

Die Gewerkschaften, Sigmar Gabriel, sind euch von der Fahne gegangen. Sie demonstrieren mit uns am 10. Oktober gegen diese Abkommen. Ich weiß nicht, wo die Freunde noch sind, vielleicht bei Herrn Pfeiffer und anderen. Eigentlich ist es doch so, dass das breite Mehrheiten in der Bevölkerung inzwischen sehr, sehr kritisch sehen.

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass es bei den Schutzvorschriften bleibt, die wir haben. Wir wollen, dass es bei unseren Regulierungen bleibt. Wir wollen nicht, dass die Regulierungen künftig nicht mehr von Parlamenten oder Regierungen ausgehen. Wir wollen nicht, dass regulatorische Räte, die genauso geheim handeln und tagen werden, wie bisher dieser ganze Laden gelaufen ist, letztendlich die Geschichte bestimmen.

Ich komme zum Schluss. Wenn man sich das ganze Vertragswerk zu Kanada ansieht ‑ und das wird die Blaupause für TTIP werden ‑, stellt man fest: Da sind auf der einen Seite Dinge von der Liberalisierung ausgenommen, auf der anderen Seite sind sie wieder drin. Wenn man das liest, hat man den Eindruck: Die Politik, die gemacht wird, läuft unter dem Motto: Wenn wir sie nicht überzeugen können, dann verwirren wir sie halt. ‑ Man kommt sozusagen nicht richtig an das Fleisch heran. Der eigentliche Sinn wird verschleiert. ‑ Ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin. ‑ Es geht ‑ und da hat Herr Hofreiter vollkommen recht ‑ nicht um die gelben oder roten Blinklichter. Es geht noch nicht einmal um das Chlorhühnchen. Es geht darum, dass wir nicht wollen, dass Standards abgesenkt werden, dass private Schiedsgerichte Rechtsstaaten aushebeln. Vielmehr wollen wir, dass es dabei bleibt, dass die Parlamente entscheiden, welche Regelungen wir haben.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb unterstützen wir die heutigen Anträge der Grünen, haben auch eigene vorgelegt und rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, am 10. Oktober mit uns gemeinsam gegen TTIP und CETA zu demonstrieren.

Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)