Durch eine vorläufige Anwendung würden die Teile von CETA, die in EU-Zuständigkeit liegen, in Kraft gesetzt – bevor die nationalen Parlamente über das Abkommen abstimmen durften. Damit werden Fakten geschaffen und die parlamentarische Demokratie ausgehebelt. Das gilt besonders bei einem Abkommen, dass so komplex ist, dass eine klare Trennung in die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche gar nicht möglich ist, und bei einem Vertrag, der so umstritten ist, dass er höchstwahrscheinlich nicht die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erhalten wird. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich solch einem Verfahren widersetzt!
Meine Rede im Wortlaut:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist Freitag, der 13., und wir reden über das Gebaren der Bundesregierung zur Inkraftsetzung von CETA. Das passt irgendwie.
CETA ist kein gutes Abkommen. Es ist ein Freihandelsabkommen, dessen oberstes Ziel die weitere Liberalisierung des Handels ist – Artikel 2.1. Es enthält eine Stillstandsklausel, nach der einmal Liberalisiertes nicht mehr zurückgenommen werden kann – Artikel 2.6. Im Übrigen: Es beinhaltet Sonderrechte für Unternehmen durch Schiedsgerichte. Egal ob sie privat oder öffentlich sind: Es sind Sonderrechte.
(Beifall der Dr. Petra Sitte (DIE LINKE))
Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich höhere und bessere Standards wollen würden, dann würde es reichen, ein internationales Verbraucherschutzabkommen auf den Weg zu bringen. Aber das wollen Sie ja gerade nicht.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Klaus Barthel (SPD): Wollten Sie aber auch nicht bisher!)
Heute geht es allerdings um die Frage, wie Sie das internationale Abkommen CETA gegen den Willen der Bürger – die Mehrheit ist inzwischen dagegen; das weiß man – durchsetzen wollen.
(Max Straubinger (CDU/CSU): Die meisten sind dafür! Sie haben nämlich uns gewählt!)
Gerade jetzt ist Wirtschaftsminister Gabriel im EU-Ministerrat in Brüssel. Er will das Signal an die Öffentlichkeit senden, dass dieses Abkommen als gemischtes Abkommen bewertet wird. Was wäre die Folge? Die Folge wäre, dass auch die nationalen Parlamente dem Abkommen CETA zustimmen müssten, bevor es in Kraft gesetzt wird. Es soll also der Eindruck erweckt werden, dass die nationalen Parlamente beteiligt werden, und alles ist gut.
Leider – guckt genau hin, liebe Kolleginnen und Kollegen! – ist das alles nur Show; denn im selben Moment macht die Bundesregierung Druck, um das Abkommen CETA möglichst schnell vorläufig anzuwenden. Was bedeutet das? Das Abkommen soll angewendet werden, bevor die nationalen Parlamente diese Frage ausreichend beraten und abgestimmt haben. Das ist eine Aushebelung der Parlamente.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger (CDU/CSU): Die Dinge, die eindeutig der EU zuzurechnen sind! – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Wir diskutieren doch jeden dritten Tag darüber!)
Der unerträglichen Geheimniskrämerei um dieses Abkommen, die einige von Ihnen mit Freude verteidigt haben, folgt also noch ein Schritt mehr, nämlich die Ausschaltung der nationalen Parlamente. Das ist nicht hinnehmbar.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Mäßiger Beifall bei den Linken!)
Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass diese Umgehung der nationalen Parlamente verhindert wird. Eine Inkraftsetzung von CETA darf es erst geben, wenn die nationalen Parlamente darüber beraten haben. Sonst entmachten wir uns hier selber.
Ich will das erklären. Durch eine vorläufige Anwendung sollen die Vertragsteile, die in den Kompetenzbereich der EU fallen, noch vor dem Ratifizierungsprozess durch die Mitgliedstaaten und allein durch Beschluss des Ministerrates in Kraft treten. Als Entgegenkommen darf das Europäische Parlament davor über CETA abstimmen. Übrigens: Ein Recht darauf hat es nicht.
(Dirk Wiese (SPD): Erste Vorlesung Jura!)
Lesen Sie die entsprechenden Bestimmungen nach!
Doch bisher ist äußerst umstritten, welche Bereiche in den Kompetenzbereich der Mitglieder fallen und welche nicht. Das ist vollkommen offen. Die EU sagt nach wie vor: „Das ist alles unser Ding“, und die Nationalstaaten haben eigentlich gar nichts zu melden.
Auch die Bundesregierung kann dazu weiterhin keine klare Auskunft geben – und das, obwohl seit Ende Februar der endgültige Vertragstext vorliegt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass jedenfalls die CETA-Bestimmungen zum Investitionsschutz und zur Beseitigung von Investitionsstreitigkeiten auch die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten berühren. Der Juristische Dienst des Rates der Europäischen Union ist wiederum gegenteiliger Auffassung. Undurchsichtiger geht es wirklich kaum.
Wir sehen: CETA ist ein äußerst kompliziertes und komplexes Abkommen.
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Da haben Sie mal etwas Richtiges über CETA gesagt!)
Ein Aufsplitten in „EU only“-Teile und gemischte Teile ist weder sinnvoll noch möglich.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch Professor Mayer von der Universität Bielefeld schreibt in einem Gutachten, das übrigens im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde:
Wie ein Tropfen Pastis ein Glas Wasser trübt, machen schon einzelne Teilaspekte eines Abkommens das Abkommen als Ganzes von der Zustimmung der Mitgliedstaaten abhängig.
Ein Gutachten für das Wirtschaftsministerium. – Wenn man dem folgt, ist vollkommen klar, dass die Bundesregierung im Rat keiner vorläufigen Anwendung eines solchen Abkommens zustimmen kann.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber es kommt noch dicker. Die EU-Kommission, die offenlässt, ob CETA als Ganzes nicht doch in alleiniger EU-Zuständigkeit liegt, will diese Frage mit einem Gutachten vom Europäischen Gerichtshof klären lassen, und zwar auf der Basis des Freihandelsabkommens mit Singapur. Dieses Gutachten soll es allerdings erst nächstes Jahr geben. Vorher jedoch soll über eine vorläufige Anwendung entschieden werden. Was ist das denn, meine Damen und Herren? Da merkt man doch, dass die Leute hier hinter die Fichte geführt werden. Wenn wir da mitmachen, dann muss ich wirklich sagen: Das versteht kein Mensch mehr.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Dieses Abkommen – das kommt hinzu – ist bei den Bürgern höchst umstritten. Es wird gerade nach der Geheimniskrämerei eine Mitwirkung der Parlamente erwartet. Aber die vorläufige Anwendung schafft Fakten, bevor die nationalen Parlamente entscheiden dürfen. Was würde passieren, wenn CETA nach einer vorläufigen Inkraftsetzung in den nationalen Abstimmungen durchfällt? Glauben Sie, dass dann die Abkommen wieder rückholbar sind? Wenn man eine Schleuse öffnet, fließt das Wasser durch; das bekommt man nicht mehr zurück. Genauso ist es bei einem solchen Abkommen.
Meine Damen und Herren, wie erwarten eine klare Haltung der Bundesregierung, dass es keine vorläufige Anwendung von CETA gibt. Wir erwarten, dass das deutsche Parlament dem Minister in dieser Frage den Rücken stärkt und deshalb unserem Antrag zustimmt: Keine vorläufige Anwendung von CETA!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)