Wir behandeln heute zwei Gesetzentwürfe der Bundesregierung in erster Lesung. Der erste dient dazu, die Voraussetzung zur Ratifizierung des Übereinkommens vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht zu schaffen, der zweite der Anpassung patentrechtlicher Vorschriften an dieses Übereinkommen sowie an mehrere EU-Verordnungen. Die Bundesregierung erhofft sich, mit dieser Reform die Rahmenbedingungen für die innovative Industrie im europäischen Binnenmarkt durch einen besseren Schutz von Erfindungen nachhaltig zu stärken. Die besondere wirtschaftliche Bedeutung eines flächendeckenden einheitlichen Patentschutzes in Europa liege in der Kostengünstigkeit und darin, dass er „in einem Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht mit Wirkung für alle teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten durchgesetzt werden kann“. Insbesondere die deutsche Industrie, auf die rund 40 Prozent der an Anmelder aus Europa erteilten europäischen Patente entfallen, soll von dem verbesserten Schutz ihrer Erfindungen profitieren.
Wie es auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz heißt, bringt die europäische Patentreform „mehr als fünf Jahrzehnte währenden Bemühungen erfolgreich zum Abschluss“. Angesichts dieser beachtlichen Zeitspanne davon zu sprechen, dass „die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten damit ihre Handlungsfähigkeit bei der Schaffung gemeinsamer verbesserter Rahmenbedingungen für ein innovatives Europa eindrucksvoll unter Beweis“ stellen, wie es Bundesjustizminister Heiko Maas in einer Pressemitteilung tut, ist etwas fehl am Platz. Wermutstropfen bleibt auch, dass diese Einigung nur über den Umweg einer „verstärkten Zusammenarbeit“ gelang, d.h. unter Ausschluss Italiens und Spaniens als Gegner des EU-Patents in Zusammenhang mit der Sprachenregelung des Europäischen Patentübereinkommens, nach der die Amtssprachen des Europäischen Patentamts Englisch, Französisch und Deutsch sind. – Aber das nur nebenbei bemerkt.
Um was geht es?
Das Einheitliche Patentgericht soll bei Streitigkeiten über Patente, die vom Europäischen Patentamt erteilt wurden, mit europaweiter Wirkung entscheiden. Deren erste Instanz soll ihren Sitz in Paris nehmen, mit Außenstellen in London und München. Die Berufungsinstanz soll in Luxemburg angesiedelt werden. Von dieser Zentralisierung erhofft man sich Konsistenz und Kostenersparnis für die streitenden Parteien. Bisher muss bei Nichtigkeitsklagen und Verletzung vor den jeweiligen nationalen Gerichten geklagt werden, die Wirkung der gerichtlichen Entscheidung bleibt auf das jeweilige Staatsgebiet beschränkt. Insofern ist die vorgesehene Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts zu begrüßen.
Große Frage bleibt die Kostentragfähigkeit für kleine und mittlere Unternehmen. War es doch eines der Kernanliegen der politischen Bemühungen um die Schaffung eines Einheitspatents und eines einheitlichen Patentgerichts, kleinen und mittleren Unternehmen die Anmeldung und Durchsetzung von Patenten zu erleichtern. – Dazu später.
Neben der europäischen Patentgerichtsbarkeit soll ein „Einheitliches Europäisches Patent“, auch EU-Patent genannt, eingeführt werden. Bisher gab es zwei Arten von Schutzrechten: nationale Patente und europäische (Bündel-)Patente. Bei europäischen Patenten erfolgen die Anmeldung und das Verfahren zur Erteilung zentral beim Europäischen Patentamt. Doch nach der Erteilung hat es dieselbe Wirkung wie ein nationales Patent in jenen Staaten, die in der Anmeldung benannt wurden und für welche die jeweiligen nationalen Phasen durch Zahlung der entsprechenden Gebühren und Übersetzung der Patentschrift in die jeweilige Amtssprache eingeleitet wurden. Bei Rechtsstreitigkeiten sind die jeweiligen nationalen Gerichte zuständig.
Das ändert sich mit dem EU-Einheitspatent: Es soll in der gesamten Europäischen Union bzw. durch den Spezialfall der Verstärkten Zusammenarbeit in 25 EU-Mitgliedstaaten einheitliche Gültigkeit haben. Die Übersetzungsanforderungen sind geringer. Davon verspricht man sich Vereinfachung und erhebliche Kosteneinsparungen.
In einer Pressemitteilung des Europäischen Parlaments vom 11.12.2012 heißt es: „Nach über 30 Jahre währenden Bemühungen werden die Kosten für ein EU-Patent um bis zu 80% sinken, was auch die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA oder Japan stärkt. Das Parlament hat die Kosten besonders für KMU gesenkt und die neuen Vorschriften deren Bedürfnissen angepasst.“ Damals allerdings fehlten jegliche konkreten Kostenregelungen. Es gibt Stimmen, die die Kostenersparnis für kleine und mittlere Unternehmen stark in Zweifel ziehen. Eine Untersuchung des britischen Patentamts prognostizierte bereits 2014, dass die Kosten des neuen Systems wahrscheinlich die KMUs am stärksten treffen werden. Auch die EU-Kommission sah in einem Arbeitspapier die Notwendigkeit einer Prozesskostenversicherung für KMU. Eine solche gibt es jedoch nicht.
Wie kommt es zu den unterschiedlichen Einschätzungen?
Offenbar beruhten die positiven Prognosen für KMUS auf recht unrealistischen Vergleichsberechnungen zwischen EU-Patent und Bündelpatent: So ist es etwa nicht üblich, Patente in sämtlichen EU-Länder anzumelden, sondern nur in den jeweils relevanten – in den Berechnung ging man dennoch davon aus. Außerdem werden nicht mal zehn Prozent aller Patentverletzungsstreitigkeiten in mehr als einem Mitgliedstaat ausgetragen. Während sich die Gerichtskosten im Rahmen bewegen, sind die Vertretungskosten sehr hoch und aufgrund von Ausnahme- und Ermessensregelungen unkalkulierbar und gehen damit mit einem hohen Risiko einher.
Wirksame Maßnahmen zur Förderung von KMU wären auf der Erteilungsseite eine Rabattierung der Amtsgebühren und auf der Durchsetzungsseite die Ausweitung der Prozesskostenhilfe auf juristische Personen und die Schaffung einer geeigneten Prozesskostenversicherung.
Doch davon ist bisher nichts im europäischen Patentpaket zu finden. „Profiteure des ‚Einheitspatent-Pakets‘ sind diejenigen, die einen geografisch möglichst breiten Patentschutz benötigen und über die erforderliche Finanzausstattung verfügen, um die hierfür und für die gerichtliche Durchsetzung ausgerufenen Kosten zu tragen. Das ausdrückliche Kernziel des Gesetzgebers aber war die Förderung von KMU.“ Schlussfolgert deshalb der Autor des Buches „Die parlamentarische Historie des ‚europäischen Einheitspatents‘.“
Es sollte sich daher von selbst verstehen, vor einer endgültigen Verabschiedung der beiden Gesetze sicherzustellen, dass auch KMUs von der Reform profitieren können.