Rede: Gabriel täuscht bei CETA Partei und Öffentlichkeit

Wirtschaftsminister Gabriel wird trotz der umfassenden Kritik im Ministerrat zu CETA und dessen vorläufiger Anwendung Ja sagen. Er verspricht Nachbesserungen, deren Umsetzung er jedoch in die Zukunft und die Verantwortung des Europaparlamentes verschiebt. Dort jedoch sind die Sozialdemokraten nicht in der Mehrheit und damit nicht Herren des Verfahrens. Dreister kann man seine Partei und die Öffentlichkeit nicht täuschen.

Meine Rede im Wortlaut:
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können wirklich stolz sein. Ich habe den Eindruck, unser Wirtschaftsminister ist nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch Illusionskünstler.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Nur so ist es zu erklären, dass nach massenhafter Kritik an CETA vom Deutschen Richterbund, vom Deutschen Städtetag und auch in seiner eigenen Partei ein Beschluss zustande kommt, als wäre die Kritik gar nicht vorhanden. Er hat sie sozusagen weggezaubert. Wie beim Zaubertrick mit dem weißen Kaninchen und dem Hut hat er gesagt: „Das klären wir alles im weiteren parlamentarischen Verfahren“, ohne dass irgendeine wirklich substanzielle Änderung im Vertrag enthalten sein soll.

(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Es gibt auch keine substanzielle Kritik!)

Hervorragend. Ich kann nur sagen: Darauf kann man stolz sein. So einen Wirtschaftsminister hat nicht jeder.
Wie hat er denn das hingekriegt, meine Damen und Herren? Wie hat er das gemacht? In der vorliegenden Stellungnahme der Koalition, die wir heute auch verabschieden, heißt es zum Beispiel:
Es muss im weiteren Ratifikationsprozess sichergestellt werden, dass auch zukünftig kein Druck in Richtung Liberalisierung von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeübt werden darf.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): So machen wir das!)

Offensichtlich ist das gegenwärtig bei CETA nicht der Fall, sonst bräuchte man es nicht hineinzuschreiben.
Ein zweites Beispiel: Das … Vorsorgeprinzip – so heißt es in Ihrem Text – bleibt von CETA unberührt. Dies muss unmissverständlich klar gestellt werden.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Das ist europäisches Primärrecht!)

Offensichtlich ist es bisher nicht klargestellt. Trotzdem bekommt der Wirtschaftsminister grünes Licht für CETA in der vorliegenden Form. Das grenzt schon ein bisschen an Magie.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil (Peine) (SPD): Wir sind halt magic! – Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Magic Sigmar!)

Worin besteht nun die Hypnose? – Die Hypnose besteht darin, dass er uns allen erzählt: Das alles kann im parlamentarischen Verfahren verbessert werden.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Das stimmt auch!)

Damit ist der Wirtschaftsminister die Verantwortung los. Sie liegt jetzt im Europaparlament bei der liberal-konservativen Mehrheit. – Respekt. Guter Trick. Sauber hingekriegt. Meine Damen und Herren, dazu sagte Ihr Kollege Barthel am Dienstag im Deutschlandfunk – ihm kann ich nur zustimmen -:
Aber meine Bedenken richten sich vor allen Dingen dagegen, dass eine Zustimmung im Ministerrat … die Sache kaum noch gestaltbar und rückholbar macht …
Gott sei Dank sind also nicht alle verzaubert. – Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland erklärte zu den Vorbehalten der SPD im Tagesspiegel von gestern:
Die hören wir uns an. Aber Ceta ist keine bilaterale Angelegenheit zwischen Kanada und Deutschland … Wir werden das ausverhandelte Abkommen selbst nicht mehr antasten … Wir arbeiten aber an einer gemeinsamen Auslegungserklärung …

(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Ja, genau! Hubertus Heil (Peine) (SPD): Rechtsverbindlich!)

– Ja, ja. Welche Punkte das am Ende beinhaltet, weiß keiner und wissen Sie auch nicht. Kein normaler Mensch würde zum Beispiel einen Vertrag zum Kauf eines Autos abschließen, in dem geregelt ist, dass das Fahrzeug keine Räder und keine Bremsen hat, und würde hinterher, nachdem es auf dem Hof steht, durch Erklärungen zu erreichen versuchen, dass die Fenster, die Türen und die Bremsen nachgeliefert werden. Das schafft nur der Wirtschaftsminister. Der kriegt das hin; der macht es so. Der würde das Auto auch so kaufen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Hauptkritikpunkt an CETA zielt übrigens auf die Paralleljustiz für Investoren. Das wurde vom Deutschen Richterbund und anderen kritisiert. Diese Kritik greifen Sie nicht mal auf; die erwähnen Sie nicht mal. Meine Damen und Herren, es ist doch ganz klar: Ein Vertrag, bei dem man gar nicht weiß, was das ist, muss abgelehnt werden und darf nicht mit Tricks auf die europäische Ebene verschoben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich komme zu einem Punkt, der auch sehr wichtig ist: die Zustimmung der nationalen Parlamente. Ich habe gestern den Wirtschaftsminister sagen hören: Trotz aller Unsicherheit soll das Abkommen zum selben Zeitpunkt, in dem es im Rat beschlossen wird, vorläufig angewendet werden. Zum selben Zeitpunkt!

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Falsch!)

– Das hat er gestern gesagt. Ich habe es doch gehört, ich bin doch nicht schwerhörig.
Ist ein Abkommen vorläufig in Kraft, bleibt es auch dann in Kraft, wenn ein Land der EU die Zustimmung verweigert. Dann ist das Abkommen zwar formal gescheitert, bleibt aber so lange wirksam, bis wiederum eine Mehrheit im Europäischen Rat diese Zustimmung zurückzieht. Wenn das nicht passiert, bleibt das Abkommen in Kraft. Meine Damen und Herren, Sie machen Politik nach dem Motto: Wenn du sie nicht überzeugen kannst, dann verwirre sie.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das ist das Motto ihrer Rede!)

Die vorläufige Anwendung muss abgelehnt werden. Das ist die einzige vernünftige Chance, wenn wir etwas ändern wollen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss ein Zitat bringen, weil mir das so schön gefallen hat.

(Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Volkstheater!)

– Ich weiß nicht, warum Sie sich aufregen. Sie bekommen von denen doch alles. Was ist das Problem?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU))

– Sie haben eine Stellungnahme gegen den Beschluss des SPD-Konvents abgegeben. Sie haben das gar nicht verstanden. Das ist doch alles in Ihrem Sinne, Herr Pfeiffer.

(Beifall des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Wir fragen uns, ob Ihre Fragen aus Amerika importiert sind!)

Mir fällt in diesem Zusammenhang – das richtet sich jetzt aber an die SPD – ein Zitat von Klabund ein. Das Zitat lautet:

Ach, besser wär’s, ihr alten Knaben,
ein Rückgrat überhaupt zu haben
im Leben und daheim im Laden …

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)