Rede: Ungleichheit angehen und Binnennachfrage stärken
Rede: Ungleichheit angehen und Binnennachfrage stärken

Rede: Ungleichheit angehen und Binnennachfrage stärken

Die Ungleichheit in Deutschland nimmt zu. Wer nicht versucht, die sogenannten Abgehängten an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen, braucht sich über das Wiedererstarken der Rechten nicht zu wundern. Außerdem müssen wir weg von den gigantischen Exportüberschüssen. Wir brauchen mehr Binnennachfrage durch höhere Löhne und deutlich mehr Investitionen des Staates und der Privaten!

Die Rede im Wortprotokoll:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Wirtschaftsminister, auch von mir Danke für die Zusammenarbeit. Leider habe ich nicht so viel Redezeit, um das zu vertiefen. Deshalb möchte ich nur eines sagen – und das meine ich so, wie ich es sage -: Fade war es mit Ihnen nie.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Allein das ist ja parlamentarisch etwas wert.

Meine Damen und Herren, der Jahreswirtschaftsbericht hat den Titel „Für inklusives Wachstum in Deutschland und Europa“. Eigentlich war der Titel anders; es hieß: „Für inklusives Wachstum und mehr soziale Teilhabe in Deutschland und Europa“.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Das heißt aber „inklusives Wachstum“!)

Offensichtlich ist die „soziale Teilhabe“ auf Intervention des Finanzministers – so das Handelsblatt – gestrichen worden. Genau das ist das Problem.

Nebenbei, Herr Wirtschaftsminister, habe ich genau gemerkt, wer wo wann geklatscht hat. Beim Beispiel des Schichtarbeiters, das ich vollkommen richtig finde, hat sich bei Ihrem Koalitionspartner zum Teil keine Hand gerührt.

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Das stimmt gar nicht!)

Das ist das Problem: Soziale Teilhabe ist offensichtlich in der Koalition umstritten. Deswegen sage ich Ihnen eines: Falls die Sozialdemokraten die irre Idee haben sollten, diese Koalition nach der Wahl fortzusetzen, dann wird alles so bleiben, wie es ist, und das wäre das Schlimmste, was diesem Land passieren kann.

(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger (CDU/CSU): Das empfinden die Leute anders!)

Meine Damen und Herren, machen wir es genau: Das Ziel, materielle Ungleichheit in Deutschland zu begrenzen und die Einkommensungleichheit zurückzuführen, stand ursprünglich in Ihrem Bericht – es ist deutlich abgeschwächt worden. Bestenfalls im Vorwort finden sich noch Hinweise darauf. Doch gerade die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung – ja, ich sage: Armut – in Deutschland ist ein zentrales Problem.

Meine Damen und Herren, Sie können zwar das Problem aus Ihrer Wahrnehmung streichen, aber Sie werden es mit dem, was Sie tun, nicht aus der Realität verbannen. Viele fühlen sich von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt – einiges ist angesprochen worden -, zum Beispiel viele der 21 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Da reichen die geringen Anhebungen eben nicht aus, um das Problem zu lösen. Viele Leiharbeiter und befristet Beschäftigte fühlen sich abgehängt. Auch hier reicht bei weitem nicht aus, was Sie auf den Weg gebracht haben. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen, dass die Rente keinesfalls mehr ausreicht für ein einigermaßen vernünftiges Leben nach der Arbeit. Das, was bisher auf den Weg gebracht wurde, ist absolut unzureichend, fast gleich null.

Meine Damen und Herren: In der Frankfurter Rundschau von heute heißt es – und das ist genau der Punkt, der in Ihrer Rede, aber keinesfalls im Bericht der Bundesregierung zu finden ist -:

Die Ungleichheit in Deutschland wächst, das Armutsrisiko steigt – nicht nur für Arbeitslose, auch für Rentner und Erwerbstätige. Und das trotz des Booms am Arbeitsmarkt.

Das ist die Realität, aber die blenden Sie aus. Wenn es so weitergeht, dann stärken Sie den rechten Rand. Deshalb sage ich Ihnen: Tun Sie endlich etwas, statt die Realität auszublenden!

(Beifall bei der LINKEN)

Um das Problem noch einmal zu verdeutlichen: Inzwischen haben wir die Situation, dass eine Partei mit eindeutig rechtspopulistischen bis faschistischen Teilen in Umfragen – zum Beispiel in Brandenburg – bei 20 Prozent liegt – und damit stärker ist als die SPD – und inzwischen in zehn Landesparlamenten sitzt, Tendenz steigend. Selbstverständlich freut es auch uns Linke, dass wir ein ansehnliches Wirtschaftswachstum und hohe Beschäftigung haben. Aber Sie wissen genauso gut wie wir, dass Sie mit dem, was Sie bisher gemacht haben, die sogenannten Abgehängten nicht wieder in das normale demokratische Spektrum integrieren konnten.

Der Direktor des Wirtschaftsforums in Davos – Herr Gabriel, Sie haben das Wirtschaftsforum angesprochen -, Richard Samans, sagte bei der Vorstellung des Reports über inklusives Wachstum und Entwicklung – ich zitiere -:

Wirtschaftswachstum alleine reicht nicht. Die Steigerung der Wirtschaftsleistung muss inklusiv wirken, also allen Bürgern zugutekommen.

Wenn das nicht funktioniere – und jetzt kommt das Entscheidende -, dann „kündigen die Verlierer den Konsens der Gesellschaft auf“. Und genau das passiert bei uns. Wenn wir glauben, nur durch Worte oder durch Ignoranz – wie das bei Ihnen der Fall ist – das Problem lösen zu können und nicht durch Taten, dann werden Sie mitverantwortlich für die Rechtsentwicklung sein, die wir in unserem Lande noch erleben werden. – Nebenbei bemerkt, weil ich Sie gerade hier sitzen sehe, Herr Fuchs. Nachdem Sie bei der Rede des Wirtschaftsministers so finster geblickt haben, muss ich sagen: An einigen Stellen war sie richtig gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, den ich aufgrund meiner kurzen Redezeit allerdings nur kurz streifen kann. Auf Spiegel Online gibt es eine lesenswerte Kolumne von Thomas Fricke. Er schreibt:

In der Kritik steht, dass wir gemessen an der beeindruckenden Höhe unseres Exports viel zu wenig bei anderen einkaufen. Die Bilanz zählt.

Das haben ich und andere Vertreter meiner Partei oft angesprochen. Fricke schreibt weiter:

Über Jahre haben unsere Großökonomen die Kritik aus dem Ausland am deutschen Exportüberschuss verspottet. Jetzt droht Amerikas neuer Präsident, das Problem zu erledigen – ein deutsches Drama.

Er schreibt auch:

Da hilft auch der Halbstarkenspruch nur bedingt, dass sich die anderen halt „anstrengen“ sollen, damit sie auch so „tolle“ Sachen exportieren …

Meine Damen und Herren, wir können das Problem nicht lösen, indem wir es einfach ignorieren und sagen: Es wird schon nicht so dicke kommen. – Wir brauchen eine Änderung unserer wirtschaftspolitischen Strategie. Das Problem besteht darin, dass wir bei weitem mehr exportieren als importieren. Wenn wir mehr importieren wollen, dann brauchen wir eine Steigerung der Nachfrage. Unsere Investitionen sind viel zu gering. 4 Prozent bringen die Unternehmen für zusätzliche Investitionen nach Abschreibungen auf. 4 Prozent! Das waren einmal 30 oder 40 Prozent. Wenn wir das Problem nicht erkennen und durch mehr Nachfrage in unserem Land entsprechend gegensteuern, dann werden die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte zunehmen, und wir werden noch ein größeres Problem haben als mit Trump.

Danke fürs Zuhören.

 

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