Rede: „Beschäftigte brauchen Planungssicherheit“
Rede: „Beschäftigte brauchen Planungssicherheit“

Rede: „Beschäftigte brauchen Planungssicherheit“

Die Abschaffung der Möglichkeit, Arbeitsverträge ohne Sachgrund zu befristen, fordert DIE LINKE seit Jahren. Die SPD hat unsere Anträge bisher immer abgelehnt. Unlängst versprach SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nun die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Da kann ich der SPD nur raten, sich nach der Wahl an diese Versprechen zu halten, wenn sie nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken will. Wenn es wieder so käme, wie es leider schon vorgekommen ist, dass man nämlich vor der Wahl links blinkt und nach der Wahl rechts abbiegt und einen Crash im eigenen Laden verursacht, dann wäre das eine Katastrophe. Der SPD sollte klar sein, dass soziale Politik nur mit einer starken Linken im Bundestag möglich sein wird.

Meine Rede im Wortlaut:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir wollen Sicherheit und Verlässlichkeit für die Beschäftigten!

Vor allem jungen Menschen wird viel zugemutet: Sie sollen eine ordentliche Ausbildung machen, sich im Job weiterbilden, sie sollen eine Familie gründen und wollen sich manchmal auch noch um ihre Eltern kümmern, sie sollen für Wohneigentum sorgen, und im Idealfall sollen sie sich auch noch ehrenamtlich engagieren.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Wer hat das gesagt?)

Das alles geht nicht, wenn die eigene Zukunft auf wackeligen Beinen steht! Das kann nicht unser Angebot für die Jugend sein!

Und darum werden wir die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen abschaffen!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

– Aha! Der eine oder andere Sozialdemokrat hat es gemerkt: Ich habe gerade Martin Schulz zitiert.

(Bernd Rützel (SPD): Guter Mann, der Martin Schulz!)

– Ja, dass ihr das noch nicht so richtig gemerkt habt, ist mir klar. – Es ist aber wichtig, was er gesagt hat. Denn heute habt ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag die Möglichkeit, genau das zu machen, was er gesagt hat, nämlich die sachgrundlose Befristung abzuschaffen.

(Beifall bei der LINKEN – Bernd Rützel (SPD): Guter Mann, der Martin Schulz, sehr guter Mann!)

Seit wir im Bundestag sind, fordern wir die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Sie haben das immer abgelehnt. Ich hoffe, das ändert sich heute.

Mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – Hartz I – hat Rot-Grün, das dieses Gesetz zu verantworten hat, die Möglichkeit deutlich erweitert, dass Unternehmen befristet einstellen. Ohne sachlichen Grund hangeln sich Beschäftigte inzwischen von Befristung zu Befristung. Befristungen können auch noch zweimal verlängert werden.

Ich zitiere jetzt wieder den Martin Schulz, weil er recht hat:

(Bernd Rützel (SPD): Sehr guter Mann!)

Auch wir haben Fehler gemacht! Fehler zu machen ist nicht ehrenrührig. Wichtig ist: Wenn Fehler erkannt werden, müssen sie korrigiert werden.

Dann korrigieren Sie das heute. Sie haben die Chance dazu!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ich gerade den einen oder anderen Zwischenruf höre, möchte ich noch sagen: Dass Sie 14 Jahre und ein Wunder von Würselen brauchen,

(Bernd Rützel (SPD): Das ist doch billig, Klaus!)

bis Sie merken, dass Sie einen Fehler machen, ist schon ein bisschen dreist. Das ist schon ein bisschen dreist.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Fast jeder zweite Arbeitsvertrag wird heutzutage nur noch befristet ausgestellt, bei jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren sind es sogar zwei Drittel. Im Jahr 1994 gab es 863 000 befristet Beschäftigte, inzwischen sind es 2,8 Millionen. Das ist mehr als eine Verdreifachung. 48 Prozent der befristeten Arbeitsverträge haben keinen sachlichen Befristungsgrund. Liebe Kolleginnen und Kollegen, befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund gehören abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Bernd Rützel (SPD) – Bernd Rützel (SPD): Bravo! Hat er recht!)

Mich wundert, dass Sie von der Union heute so ruhig sind. Normalerweise hätte ich jetzt erwartet, dass Sie sagen: Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit der Republik gefährdet.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Die sind schon im Wochenende!)

Das habe ich von Ihnen schon gehört. Ich sage Ihnen: Wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Republik davon abhängt, dass wir jungen Leuten bei uns den Start ins Leben möglichst schwer machen, dann kann ich nur sagen: Armes Deutschland!

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund (CDU/CSU): Wir hatten gar nichts gesagt! Ich bitte, das einmal festzuhalten! Wir hören nur zu!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da sind Menschen, die sich von Befristung zu Befristung durchschlagen, übrigens jedes Mal wieder beim Einstiegsgehalt anfangen, keinen Kündigungsschutz haben, keine Planungssicherheit haben. Wie soll man in so einer Situation eigentlich eine Familie gründen? Ich habe einmal nachgeschaut, was man bei Ihnen von der CDU dazu findet.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Das ist CDA-Beschlusslage, was Sie vortragen!)

Ich habe gefunden, dass Sie sich ganz besonders um die Familien kümmern. Sie reden doch gern davon, dass Familien – Zitat von Ihrer Website – das „Fundament unserer Gesellschaft“ seien. Wie soll das unter solchen Arbeitsbedingungen funktionieren? Wie soll das hinzukriegen sein?

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Darauf hätte ich eigentlich gern eine Antwort.

(Albert Stegemann (CDU/CSU): Wir haben die höchste Beschäftigung in ganz Europa! Sagen Sie etwas dazu!)

Jetzt aber auch noch ein Wort zur SPD, das mir ganz besonders wichtig ist. Die Aussage des Kollegen Schulz, dass sachgrundlose Befristungen abzuschaffen sind und dass ALG I länger zu zahlen ist, hat bei vielen in unserer Republik sehr viel Hoffnung geweckt,

(Bernd Rützel (SPD): Jetzt halt einmal ein!)

übrigens nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch bei anderen wie zum Beispiel den Eltern derjenigen, die befristet beschäftigt sind. Sie wollen, dass ihre Kinder anständige Arbeitsverhältnisse bekommen. Sie haben den Eindruck erweckt, dass Sie Fehler korrigieren wollen und dass es tatsächlich in eine andere, soziale Richtung geht. Sie haben dafür große Vorschusslorbeeren erhalten. Ich bin übrigens nicht einmal traurig darüber; im Gegenteil. Ihre Umfragewerte, die Sie zurzeit haben, sind nicht nur dem Gesicht von Martin Schulz geschuldet, sondern auch den Positionen, mit denen er unterwegs ist. Mir fällt dazu allerdings auch Ihr Parteivorsitzender Müntefering ein,

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ja!)

der einmal gesagt hat, er fände es unfair, dass er nach der Wahl an das erinnert werde, was er vor der Wahl gesagt habe.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Die Gefahr besteht immer!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, insofern möchte ich Ihnen sagen: Wenn Sie die vielen Erwartungen, die Sie geweckt haben, wieder enttäuschen, dann prophezeie ich der SPD dieselbe Situation wie den Sozialdemokraten in den Niederlanden.

(Josip Juratovic (SPD): Nach der Wahl ist vor der Wahl!)

Nach 1998 habt ihr das einigermaßen hingekriegt. Noch einmal überwindet ihr das nicht. Ich sage euch einmal, was die Voraussetzung dafür ist, dass das, was Ihr vorhabt, einigermaßen gelingt:

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Mit der Zweitstimme Linke wählen!)

Die Voraussetzung, dass es gelingt, ist eine starke Linke; denn die muss aufpassen, was ihr macht, die muss euch auf die Finger gucken.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke muss dafür sorgen, dass das, was ihr vor der Wahl gesagt habt, auch nach der Wahl gilt; das ist der Punkt.

(Beifall bei der LINKEN – Bernd Rützel (SPD): Das machen wir sowieso!)

Wenn es wieder so käme, wie es leider schon vorgekommen ist, dass man nämlich vor der Wahl links blinkt und nach der Wahl rechts abbiegt und einen Crash im eigenen Laden verursacht, dann wäre das eine Katastrophe. Deshalb sage ich: Lassen Sie uns die Chancen nutzen, aber dann auch ehrlich, und nicht irgendwelche Schaumschlägereien machen, sondern eine vernünftige Politik. Sie haben heute die Gelegenheit, sich zu unserem Antrag vernünftig zu äußern.

(Bernd Rützel (SPD): „Äußern“ ist gut!)

Ich bin wirklich gespannt, ob es das Gegenteil von dem ist, was Martin Schulz gesagt hat, oder wieder das, was ich zwölf Jahre lang hier gehört habe.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

 

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