MainPost: Klaus Ernst: „Wir sind der Stachel im Fleisch“

Zehn Jahre Linke: Klaus Ernst zieht Bilanz. Und wünscht sich eine neue Politik.

Zwei Parteien hätten dauerhaft links von der SPD nicht überleben können. Da ist sich Klaus Ernst, Bundestagsabgeordneter der Linken und einer der Wegbereiter der Linken und ihrer Vorläuferpartei WASG (Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit) sicher. Am 16. Juni 2007 schlossen sich PDS und WASG zusammen zur Partei Die Linke. Ein Grund für die Fusion war auch die Befürchtung, wenn jede Gruppierung für sich antritt, bleiben beide bei der vorgezogenen Neuwahl unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Inhaltlich gab es viele Überschneidungen, die Kultur in beiden Parteien war aber sehr unterschiedlich. Aber: Im Westen und im Osten ist etwas Neues entstanden, meint Klaus Ernst in einem Pressegespräch in Schweinfurt, wo alles anfing irgendwie.

Die Politik von Gerhard Schröder, die Agenda 2010 kam bei vielen SPD Mitgliedern und aich Gerwerkschaftern nicht gut an. „Wir wurden tierisch angemacht von den Betrieben“, erinnert sich Ernst, damals IG–Metall-Bevollmächtigter. Links blinken, rechts abbiegen, so beschreibt er den Kurs der Schröder-SPD. Ein Vakuum sei entstanden, viele Menschen sahen sich seiner Meinung nach nicht mehr vertreten von den bestehenden Parteien.

„Wir haben uns nicht bei einem Bier mal so überlegt , eine Partei zu gründen“, sagt Ernst. Die Arbeiterbewegung war weg, die Arbeiter noch da. Deswegen sei erst die WASG („Schweinfurt war die Triebfeder“) und dann die Linke entstanden.

Agenda 2010 der Kick

2003, die Verkündung von Schröders Agenda 2010, das war der Kick, sagt Ernst. Der erste Plan: Die SPD wieder sozialdemokratisch werden zu lassen. Zu Beispiel, durch Einritt in die Partei und Mitarbeit. Oder durch Druck von außen, durch eine neue Partei. Plan B ist es dann geworden, auch weil einige der Sozialdemokratie enttäuscht den Rücken gekehrt haben.

Zum Beispiel Gewerkschafter wie Frank Firsching, heute DGB-Regionsvorsitzender. Der war damals übrigens zuerst nicht begeistert von der Idee, mit der PDS zusamenzugehen, erzählt er. Ernst erinnert sich genau an Firschings Kommentar: „Habt Ihr sie noch alle?“

Fusion keine so einfache Sache

PDS und WASG zu fusionieren, war keine so einfache Sache, juristisch ziemlich vertrackt. „Ich bin stolz, dass wir alles richtig gemacht haben, sonst wären wir nicht hier“, meint Ernst.

Wie sieht er die politische Landschaft jetzt zehn Jahre nach der Gründung der Linken? Verändert. Ohne die Linke hätte es keinen Mindestlohn gegegeben, zum Beispiel. Manche Diskussion hab eman angestoßen: „Wir sind der Stachel im Fleisch.“

Ernst sieht die Lage aber auch kritisch. Und auch selbstkritisch. Die AfD profitiere von einem schon immer in Deutschland da gewesenen dumpfen Rassismus, gepaart mit Fremdenangst. Sie ziehe aber auch Menschen an, die jeder Art von Establishment ablehnend gegenüber stehen. Und sich wohl auch nicht verstanden und vertreten fühlen.

„Wir sagen seit zehn Jahren, Hartz IV muss weg – und es ist immer noch da“, meint Ernst, der auch mal Parteivorsitzender der Linke war. Deswegen müsse sich die Politik wirklich ändern, geht er auf das Thema mögliche Koalitionen nach der Bundestagswahl im September ein. Die Linke sollte nach seiner Meinung nach nach zwölf Jahren endlich Regierungsverantwortung übernehmen. Aber nicht, um neoliberale Politik zu unterstützen, oder mitzuhelfen, dass alles so bleibt. „Die Politik muss sich ändern“, sagt er. Renten, Umverteilung, Rüstungsausgaben, Mietpreise, sind seine Themen.

In Schweinfurt, wo alles anfing, bereitet sich die Linke schon mal auf den Bundestagswahlkampf vor. Sinan Öztürk, Stadtrat und ver.di Beziirksvorsitzender, arbeitet an einigen Ideen, auf die Leute zuzugehen, die an einem Infostand eher immer vorbeigehen. Er glaubt, dass viele, die Linke gewählt haben, erst nicht zur Wahl gegangen wären, gäbe es die Linke nicht.

Klaus Ernst will in Schweinfurt zum Auftakt des Bundestagswahlkampfes sein Plakat vorstellen. Es soll witzig sein, sagt er.

 

Mit freundlicher Genehmigung der MainPost. Quelle: http://m.mainpost.de/regional/schweinfurt/Klaus-Ernst-bdquo-Wir-sind-der-Stachel-im-Fleisch-ldquo;art742,9621189