Eigentlich sollten wir die Antworten schon im Dezember bekommen, doch die Bundesregierung bat um Fristverlängerung. Gebracht hat das wenig: Die Antworten der Bundesregierung (PDF) vom 15. Januar 2019 auf unsere Kleine Anfrage „Der neue Mobilfunkstandard 5G“ strotzen vor Unkenntnis und Ahnungslosigkeit.
Fehler von 2015 werden wiederholt
Ziel der Bundesregierung ist eine flächendeckende Mobilfunkabdeckung. Die Versorgungsauflagen für die Frequenzvergabe im Bereich 2 GHz und 3,6 GHz geben das aber nicht her. 98 Prozent der Haushalte sollen bis Ende 2022 mit mindestens 100 Mbit/s versorgt sein. Derzeit arbeiten die Mobilfunkbetreiber daran, ihre Verpflichtungen aus der letzten Versteigerung zu erfüllen und bis Ende 2019 98 Prozent der Haushalte mit mindestens 50 Mbit/s zu versorgen. 98 Prozent der Haushalte bedeutet, rund 826.000 Haushalte bleiben unversorgt. Es bleibt das Geheimnis der Bundesregierung, warum keine Flächenversorgungsauflage gemacht wurde, sondern eine haushaltsbezogene Auflage, obwohl eine flächendeckende Versorgung das Ziel ist. Zumal Mobilfunk ja gerade dann gebraucht wird, wenn man nicht zu Hause, sondern unterwegs ist.
Keine Strategie für die weißen Flecken
Die Betroffenen in den sogenannten weißen Flecken brauchen zunächst überhaupt mobiles Internet und vor allem mobile Telefonie. Offensichtlich haben die Auflagen der vergangenen Auktionen nicht gereicht, um eine flächendeckende Versorgung zu erreichen. Zwar hat die Bundesnetzagentur mit den Auflagen für Verkehrswege hier ein wenig nachgesteuert, doch reicht das? Die Bundesregierung weiß es nicht (Antworten auf die Fragen 7, 8 und 14). Sie kündigt eine „Gesamtstrategie“ für Mitte 2019 an, wie die Funklöcher geschlossen werden sollen. Dann ist die Versteigerung längst passiert und keine Anpassung der Auflagen mehr möglich. Mit der Antwort der Bundesregierung sind die Kommunen zudem vollständig von der Planung der Netzbetreiber abhängig und haben keine Möglichkeit, selbst tätig zu werden.
Dieses Problem darf deshalb nicht erst am Ende des 5G-Rollouts angegangen werden. Die Gefahr ist groß, dass dann mit Steuergeldern die Löcher gestopft werden, in denen die Mobilfunkbetreiber nicht genug Geld verdienen können. Der Staat soll also die Netze bereitstellen, die sich für die Privaten nicht lohnen, während die im Rest des Landes die Gewinne einstreichen. Daran zeigt sich, wie unsinnig die Idee von Anfang an war, gewinnorientierte Unternehmen mit dem Breitbandnetzausbau zu betrauen. Gute Strategien in anderen Ländern wurden offensichtlich noch nicht einmal zur Kenntnis genommen. Zum Beispiel hätten strengere Auflagen (annähernd 100% Versorgung in der Fläche) und im Gegenzug weniger Kosten für die Frequenzen den Mobilfunkanbietern bessere Anreize geboten. In Schweden zum Beispiel wurde gezielt die Versorgung der Bevölkerung in ländlichen, bergigen Regionen gefördert, indem an die Vergabe des 800-MHz-Bandes die Verpflichtung geknüpft wurde, unterversorgten Haushalten Mobilfunk zur Verfügung zu stellen.
Insgesamt hat die Bundesregierung wenig bis keine Ahnung von Mobilfunk
Die Bundesregierung behauptet, nicht zu wissen, wie viel Fläche versorgt sein wird, wenn die Auflagen erfüllt sind. Sie hat auch keine Planungen oder Prognosen für die Geschwindigkeit des Netzausbaus. Das bedeutet, sie überlässt den Aufbau dieser wichtigen Infrastruktur völlig planlos der Privatwirtschaft, die bisher bei der flächendeckenden Versorgung versagt hat. Einerseits träumt man von einem „Leitmarkt für 5G“ (siehe 5G-Strategie für Deutschland vom Juli 2017), andererseits schafft man es noch nicht einmal, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, wie die aktuellen Funklöcher behoben werden sollen. Zwar sollen bis Ende 2022 1.000 5G-Basisstationen und 500 Basisstationen mit mindestens 100 Mbit/s in „weißen Flecken“ in Betrieb gehen – wie viel Fläche dadurch versorgt sein wird und wie groß die dann noch verbleibenden weißen Flecken sein werden, davon hat die Bundesregierung keine Ahnung (Antwort auf Frage 14). Sie hat auch keine näheren Zahlen dazu, wie viele Basisstationen eigentlich für eine 98-prozentige Versorgung mit mindestens 100 Mbit/s benötigt werden, außer, dass diese Zahl „sehr groß“ ist (Antwort auf Frage 12). Entsprechend ist sie auch überfragt, wie hoch der Energieverbrauch angesichts des zukünftigen Datenverkehrs sein wird (Antwort auf Frage 20). Zum zukünftigen mobilen Datenverbrauch weiß sie nur, „dass der mobile Datenverkehr in den nächsten zehn Jahren ansteigen wird“ (Antwort auf Frage 19).
Es bleibt offen, wie die Bundesregierung bis Mitte 2019 eine Planung für den ländlichen Raum erstellen will, wenn zu grundlegenden Zusammenhängen zwischen Flächenversorgung und Bevölkerungsversorgung keine Erkenntnisse vorliegen.
Widersprüche in den Aussagen zur Frequenz- und Technologienutzung
Aus den Antworten geht zudem hervor, dass mehr als die Hälfte der in Deutschland genutzten Handys nur die Standards 2G oder 3G nutzen und nicht den aktuellsten verfügbaren Standard 4G (LTE). Daraus lässt sich ableiten, dass auch 5G eher nicht für die breite Masse in Frage kommt, zumal die ersten 5G-fähigen Endgeräte erst dieses Jahr auf den Markt kommen. Es wird vornehmlich für gezielte Anwendungen wie autonomes Fahren oder Internet of Things (IoT) im Logistik- und Fertigungsbereich gebraucht. Auch der „Deutschland-Takt“, das neue elektronische Leitsystem für Züge, kommt für die 5G-Nutzung in Frage. Das alles sind Anwendungsbereiche, in denen wenig sinnvoll erscheint, die Versorgung an den Haushaltszahlen zu orientieren. Dazu kommt, dass nach dem Konsens aller Befragten die Versorgungsauflage entlang der Verkehrswege kein 5G braucht, sondern bereits durch LTE erfüllbar ist. Das steht im Widerspruch zur Behauptung der Bundesregierung, dass die Versorgungsauflagen entlang der Straßeninfrastruktur und der Bahnstrecken den 5G-Ausbau befördern sollen.
Ein weiterer Widerspruch: Auf der einen Seite erklärt die Bundesregierung, dass nicht vorschreibbar sei, wie Betreiber ihre Frequenzen nutzen. Andererseits wurde eCall auf GSM (also 2G) festgelegt (Antworten auf die Fragen 10 und 11). Kann es also wirklich sein, dass es keinerlei Verpflichtung für Netzbetreiber gibt, 2G aufrechtzuerhalten, während es aber für Automobilhersteller eine Pflicht gibt, GSM-Module einzubauen?
Verhandlungsgebot? Fehlanzeige!
Die Zögerlichkeit der Bundesregierung beim National Roaming, bei Kooperationen der Netzbetreiber für einen schnelleren Gesamt-Rollout und bei der Rolle der Kommunen wird einen raschen Netzausbau blockieren. Die Bundesregierung will noch nicht einmal Vorgaben machen, wie die Verhandlungen im Rahmen des Verhandlungsgebotes ablaufen sollen (Antwort auf Frage 16). Das Problem wird einfach vertagt, bis irgendwann klar wird, dass Verhandlungsgebote zahnlos sind. Von den Erfahrungen anderer Staaten möchte die Bundesregierung dabei nicht profitieren. Sie verfüge über keinerlei Erfahrungen darüber, wie überhaupt ein Verhandlungsgebot woanders funktioniert hat (Antwort auf Frage 17). Warum sie sich dann gerade für dieses Modell entschieden hat, bleibt ihr Geheimnis.
Keine Problemlösung in Sicht
Die Bundesregierung hält an der unsinnigen und volkswirtschaftlich teuren Strategie fest, mehrere Mobilfunknetzbetreiber zum Ausbau redundanter Netze zu verpflichten. Sie macht sich nicht einmal die Mühe, die Situation zu analysieren und grundlegende Daten und Zahlen zu erheben. Gerade vor dem Hintergrund neuer Studien, die Gesundheitsgefahren durch hochfrequente 5G-Strahlung nahelegen, sollte versucht werden, flächendeckende Netze mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Menschen zu verwirklichen. Drei parallele Netze mit 5G dienen diesem Ziel nicht. Der propagierte Wettbewerb um das beste Netz hat bisher nicht funktioniert und wird dies auch weiterhin nicht tun. Andere Konzepte müssen her.
Ein für den Wirtschaftsstandort und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse so zentrales Thema wie der Breitbandausbau wird weder beforscht noch vernünftig geplant, sondern einfach der privatwirtschaftlichen Verwertung überlassen. Der Privatwirtschaft wiederum ist es egal, ob die Versorgung flächendeckend ist, sie wollen möglichst hohe Profite erzielen. Die Mobilfunkbetreiber schielen deshalb auf die ertragreichen Ballungsgebiete. Gegen die Versorgungsverpflichtungen, die aus unserer Sicht unzureichend sind, haben sie Klage eingereicht, weil sie ihnen zu streng sind. Die Bundesregierung droht ihrerseits mit härteren Bußgeldern und mehr Kontrolle. Stattdessen müsste sie endlich einsehen, dass Breitbandversorgung eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge darstellt.