Sagt euch der Name ‚Rana Plaza‘ etwas? Das war eine Textilfabrik in einem Vorort von Dhaka (der Hauptstadt von Bangladesch). Im April 2013 stürzte das Gebäude plötzlich ein. Das kostete 1.136 Arbeiterinnen und Arbeiter das Leben, über 2000 wurden verletzt und waren für ihr Leben gezeichnet. Mehrere deutsche Unternehmen, darunter C&A, Mango, NKD und KiK, ließen ihre Produkte dort produzieren. Nach dem Kollaps der Fabrik dauerte es über ein Jahr, bis das Geld für den Entschädigungsfonds eingesammelt war, weil die Unternehmen sich lange weigerten, die betroffenen Arbeiter/innen finanziell zu entschädigen. Im August 2015 besuchte ich Bangladesch im Rahmen einer Delegationsreise des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales. Ich habe dort Arbeitsbedingungen gesehen, die man seinen ärgsten Feinden nicht wünschen würde: Kinderarbeit, Menschen, die knietief in giftigen Laugen stehen. Leider sind das keine Einzelfälle.
Weltweit profitieren deutsche und europäische Unternehmen an solchen menschenfeindlichen, lebensbedrohlichen und unwürdigen Bedingungen. Seit Jahren gibt es Initiativen und Bestrebungen, daran etwas zu ändern. Das Mittel dazu wäre ein Lieferkettengesetz. Ein solches Gesetz würde die Unternehmen auch für die Verhältnisse, die bei ihren Zulieferern herrschen, verantwortlich machen.
Der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, bemüht sich seit Jahren, die Zustände mit Hilfe freiwilliger Vereinbarungen mit den Unternehmen zu verbessern. Leider blieb er bisher weitgehend erfolglos. Eine repräsentative Umfrage hat gezeigt, dass nur sehr wenige Unternehmen eine freiwillige Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten anwenden, die den Leitprinzipien des Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschenrechte“ der Vereinten Nationen entspricht.
Auch Minister Müller hat inzwischen erkannt, dass freiwillige Regelungen nicht zum Erfolg führen. Zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil hat er ein verpflichtendes Lieferkettengesetz angekündigt. So war es im Koalitionsvertrag auch vereinbart. Der Vorteil eines Lieferkettengesetzes bestünde darin, dass die Unternehmen echte Konsequenzen fürchten müssten, wenn sie die gebotene Sorgfaltspflicht verletzen und nicht gegen ihnen bekannte Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen bei ihren Zulieferern vorgehen. Auch einige Unternehmen unterstützen diesen Vorstoß, z.B. die Firma Tchibo.
Nur Wirtschaftsminister Peter Altmaier macht sich zum Interessenvertreter der ganzen Herde schwarzen Schafe, die auf Biegen und Brechen ein solches Gesetz verhindern wollen. Wettbewerbsnachteile für die deutsche Industrie werden ins Feld geführt, oder das Argument, dass so eine Regelung nur auf europäischer Ebene oder gar weltweit sinnvoll wäre. Um Ausreden ist die Lobby nicht verlegen. Letztlich sind ihr die Zustände bei den Zulieferern egal.
Gerd Müller und Hubertus Heil haben meine volle Unterstützung bei der Verabschiedung und Umsetzung eines Lieferkettengesetzes. Im September habe ich mehrere Gespräche zum Thema Unternehmensverantwortung in den Lieferketten geführt. Ich traf mich mit dem Generalsekretär des Rats für nachhaltige Entwicklung, mit der Wirtschaftsvereinigung Metalle und mit der Koordinatorin der Initiative Lieferkettengesetz. Ich habe nicht nur meine Unterstützung für das Gesetz deutlich gemacht, mit der Initiative habe ich auch Möglichkeiten besprochen, wie wir weiter Druck auf das Bundeswirtschaftsministerium ausüben können, damit Herr Altmaier endlich zu bremsen aufhört. In Frankreich, und nicht nur dort, ist nämlich schon längst Gesetz, worum wir hier noch streiten: Seit 2017 sind dort Sorgfaltsplichten der Unternehmen für ihre Lieferketten rechtlich festgeschrieben.