Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft vollzogen!
Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft vollzogen!

Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft vollzogen!

Brennstoffzellenbus in Köln (Bild von Marco Ferch CC-BY-2.0)

Wasserstoff ist eine wichtige Säule der Energiewende. Denn er kann mit Hilfe von Ökostrom emissionsfrei erzeugt werden und in allen Bereichen, wo man mit Strom allein nicht weiterkommt, unsere Versorgung mit erneuerbaren Energien sicherstellen. Bisher allerdings gibt außer ein paar Pilotprojekten noch keine relevante Erzeugung. Deshalb war es ausgesprochen wichtig, dass die Bundesregierung dieses Jahr eine Wasserstoffstrategie vorgelegt hat, in der sie skizziert, wie der Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft gelingen kann. Das Papier enthält viele richtige Ideen und Ansätze. Das Wort „Arbeitsplätze“ kommt leider nur einmal ganz am Rande vor. Dabei sind die Chancen für Industriearbeitsplätze, die rund um Wasserstoff entstehen können, enorm. Eine Studie der renommierten Forschungsinstitute DIW und Wuppertal Institut kommt in verschiedenen Szenarien auf einen Zuwachs zwischen 300.000 und 800.000 direkter und indirekter Arbeitsplätze in der Branche. Deshalb verbinde ich mit Wasserstoff gleich zwei große Chancen: dass wir das Versprechen erfüllen können, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften und dass in Deutschland zukunftsfähige gute Arbeitsplätze und neue Wertschöpfung entstehen.

Was Wasserstoff alles kann:
  1. Er kann als Energiespeicher genutzt werden. Derzeit kommt es vor allem in den norddeutschen Windparks immer wieder dazu, dass Turbinen abgeschaltet werden müssen, weil sonst zu viel Strom im Netz wäre. Dieser Strom könnte dazu genutzt werden, Wasserstoff zu produzieren, der dann bei Flaute wieder zur Stromerzeugung genutzt und ins Stromnetz eingespeist werden könnte.
  2. Schon heute wird er als Grundstoff in der chemischen Industrie und in Raffinerien benötigt. Bisher wird dieser Wasserstoff aus Erdgas hergestellt. Dabei wird Kohlendioxid frei. Würde stattdessen grüner Wasserstoff aus Ökostrom verwendet, könnte der Kohlendioxidausstoß der chemischen Industrie deutlich gesenkt werden. Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen ist derzeit noch viel teurer als fossiler Wasserstoff. Deshalb braucht es einen politischen Rahmen, der ihn dennoch konkurrenzfähig macht.
  3. Wasserstoff kann dazu genutzt werden, Stahl klimaneutral zu produzieren. Bislang wird Stahl mit Hilfe von Kohlestaub gewonnen, was einen hohen Ausstoß von Kohlendioxid mit sich bringt. Wasserstoff kann einen ähnlichen Effekt wie Kohle erzielen, nur dass am Ende Wasser statt Kohlendioxid frei wird. Erste Pilotanlagen gibt es bereits. Damit Stahlwerke für die neue Produktionsmethode umgebaut werden können, sind hohe Investitionen erforderlich. Zugleich muss sichergestellt werden, dass zum Zeitpunkt der Umstellung auch genug Wasserstoff zur Verfügung steht, um das Stahlwerk zu betreiben. Deshalb braucht es an dieser Stelle aktive Industriepolitik, damit Investitionen in die Wasserstoffproduktion und in die neuen Stahlwerke aufeinander abgestimmt werden und zugleich Unternehmen Unterstützung bekommen, um die Mehrkosten gegenüber der traditionellen Produktion auszugleichen.
  4. Wasserstoff kann direkt zur Energiegewinnung für Motoren und Turbinen, aber auch in Heizungen eingesetzt werden. Das ist vor allem dort interessant, wo Strom bisher keine gute Lösung zu sein scheint, im Flug- und im Schwerlastverkehr zum Beispiel. Erste Versuche mit Wasserstoffflugzeugen gibt es bereits, ebenso wird an Lkw mit Brennstoffzelle gearbeitet. Brennstoffzellen wandeln Wasserstoff in Wasser um, wobei Energie freigesetzt wird, die dann den Motor antreibt. Hyundai testet seine Brennstoffzellen-Lkw aktuell in der Schweiz. Daimler und Volvo haben ein Joint-Venture gegründet, das in den nächsten Jahren ebenfalls solche Fahrzeuge auf den Markt bringen will. Im Fuhrpark des Deutschen Bundestages sind mehrere wasserstoffbetriebene Pkw im Einsatz.
  5. Wasserstoff kann zu synthetischen Kraftstoffen weiterverarbeitet werden, die anstelle von fossilem Diesel und Kerosin Flugzeuge und Fahrzeuge antreiben können.
Das Henne-Ei-Problem

All diesen Anwendungen ist gemeinsam: Die Verbraucher werden sich nur dann dazu entscheiden, Wasserstoffanwendungen zu nutzen, wenn sie sicher sein können, dass dieser Wasserstoff auch in ausreichendem Maße und zu erschwinglichen Preisen erhältlich sein wird. Deshalb steht die grüne Wasserstoffwirtschaft vor einem Henne-Ei-Problem: Um billiger und damit für Anwender attraktiv zu werden, muss er in großem Stil produziert werden und um in großem Stil produziert zu werden, braucht er Abnehmer, die die Produktion lohnenswert erscheinen lassen. Wer sich hier allein auf den Markt verlässt, wird scheitern. Damit Wasserstoff eine Chance hat, sind eine klare Regulierung und eine gut überlegte Industriepolitik vonnöten, die sowohl bei der Erzeugung als auch beim Verbrauch die richtigen Anreize setzt. Nur so können wir sicherstellen, dass beide Seiten, Angebot und Nachfrage, sich zusammen entwickeln können.

Wir werden nicht allen grünen Wasserstoff, den wir benötigen, bei uns herstellen können. Wir werden auf Energieimporte angewiesen bleiben. Das ist auch geopolitisch sinnvoll, denn die Staaten, die uns heute mit Öl und Gas versorgen, haben oftmals auch gute Voraussetzungen, um Wasserstoff mit Strom aus Wind und Sonne zu produzieren. Sie können bei der Energiewende ins Boot geholt werden, wenn sie nicht mehr fürchten müssen, dass ein relevanter Teil ihrer Einnahmen durch den Umstieg auf erneuerbare Energien wegbricht. Deshalb begrüße ich, dass die Wasserstoffstrategie einen klaren Plan für Energiepartnerschaften beinhaltet. Marokko hat als erstes Land schon eine Zusammenarbeit vereinbart.

Für Deutschland ergeben sich ebenfalls Exportmöglichkeiten, wenn wir unsere gute Stellung bei den Elektrolyseuren (die Apparate, die mit Hilfe von Strom Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten) beibehalten. Derzeit stammt weltweit jede fünfte verkaufte Elektrolyse-Anlage aus Deutschland, der deutsche Weltmarktanteil für Anlagenteile zur Weiterverarbeitung des Wasserstoffs liegt bei 16 Prozent (Quelle: BMBF). Dazu kommen die oben genannten Industrieanwendungen bei Stahl und synthetischen Kraftstoffen, die Weiterentwicklung von Brennstoffzellen und Speichertechnologien.

Neun Milliarden Euro will die Bundesregierung für die Verwirklichung ihrer Wasserstoffstrategie in die Hand nehmen — sieben Milliarden Euro für die Förderung von Wasserstofftechnologien hierzulande und zwei Milliarden Euro für internationale Partnerschaften. Jetzt sind wir als Opposition gefragt genau zu kontrollieren, dass dieses Geld sowohl in industriepolitischer als auch in klimapolitischer Hinsicht sinnvoll ausgegeben wird.