Von Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Ein häufig gemachter Vorwurf an die TTIP-Kritiker lautet, sie würden eine emotionale Debatte führen und unbegründete Ängste schüren, statt sich den Fakten zuzuwenden. Doch nun ist es die Bundeskanzlerin, die sich bei einer Veranstaltung des Walter Eucken Instituts „bedrückt“ darüber zeigte, „dass das Abkommen so umkämpft ist“.
Ich kann natürlich verstehen, dass es für die Kanzlerin etwas bedrückend ist, wenn im Oktober eine Viertel Million Menschen gegen TTIP und CETA – und damit gegen die Positionierung Merkels – auf die Straße gingen und erst grade wieder auf der „Wir haben es satt“-Demo parallel zur Grünen Woche über 20.000 Menschen für eine andere Landwirtschaft und gegen TTIP und CETA demonstrierten.
Ich meine, es sind vor allem die TTIP-Befürworter und vorneweg die Bundeskanzlerin und der Vizekanzler, die versuchen die Debatte um die Freihandelsabkommen durch Emotionen zu beeinflussen. Wer macht denn Panik, dass Europa sonst abgehängt würde oder dass ohne TTIP die Chinesen die globalen Standards setzen würden? Dabei wird der Welthandel sicher auch zukünftig nicht ohne das kaufkräftige Europa stattfinden – auch wenn in Europa höhere Standards gelten.
Wie sehen denn die Fakten aus bei TTIP und CETA?
Fakt ist zum Beispiel, dass die USA weder bereit sind, ihren Beschaffungsmarkt zu öffnen, noch die ILO-Kernarbeitsnormen zu unterzeichnen oder auf private Schiedsgerichte zu verzichten. Das alles sind angeblich zentrale Punkte für die EU-Seite und die Bundesregierung. Warum wird hier nicht klar geäußert, dass es dann eben kein Abkommen gibt, statt immer mehr Zugeständnisse zu machen?
Fakt ist auch, dass weit über 3,3 Millionen Menschen in den letzten Monaten gegen TTIP und CETA unterschrieben – wobei 1,6 Millionen davon aus Deutschland kamen. Doch eine persönliche Übergabe dieser Unterschriften an Kanzlerin Merkel lehnte sie „mit Blick auf die zahlreichen terminlichen Verpflichtungen der Bundeskanzlerin als auch aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen vergleichbaren Initiativen“ ab. Wie war das nochmal mit der sachlichen Auseinandersetzung?
Übrigens ist außerdem Fakt, dass es mehrere der TTIP-Befürworter waren, die Zahlen zu TTIP und Wirtschaftswachstum beziehungsweise Jobzuwächsen GESCHÖNT DARSTELLTEN und korrigieren mussten.
Es ist mehr als an der Zeit, dass die Kanzlerin und ihre Regierung endlich damit anfangen, begründete Kritik ernst zu nehmen und sich mit ihr auseinandersetzen. Dahin scheint es noch ein weiter Weg: In einer Schriftlichen Frage an die Bundesregierung nach welchen Kriterien in CETA bestimmte Bereiche vom „Domestic Regulation“-Kapitel ausgenommen wurden, wurde mir mitgeteilt: „Die in Art. X.1 Abs. 2 b) von CETA genannten Bereiche wurden danach ausgewählt, ob das Kapitel ‚Domestic Regulation‘ nach Auffassung der EU auf sie Anwendung finden sollte.“ Weniger Antwort kann man nicht geben, und: Besser kann man Misstrauen nicht schüren! Das gleiche gilt, wenn ich Texte der EU-Kommission lese, in denen steht: „Überdies kommen die Dienstleistungsanbieter und Investoren in den Genuss aller zukünftigen Liberalisierungen.“ Deutlicher kann man nicht ausdrücken, wessen Interessen hinter den ABKOMMEN stehen. Das Gute daran ist: Genau deshalb hört der Widerstand gegen TTIP und CETA nicht auf zu wachsen! CETA und TTIP stoppen – für fairen Handel!
Publiziert auf: linksfraktion.de, 21. Januar 2016