Schon im ersten Lockdown hat sich in den Fleischbetrieben das Corona-Virus unkontrolliert verbreitet. Eine ganze Region war davon betroffen. So standen sie plötzlich wieder auf der Tagesordnung: die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Dicht an dicht, kaum Schutzvorkehrungen, schlecht bezahlt und weitgehend rechtlos, ausgeliefert miesen Subunternehmen.
Die Arbeitsschutzkontrollen haben sträflich versagt: In den letzten Jahren wurden Fleischbetriebe immer seltener kontrolliert, zwischen 2008 und 2018 haben die Kontrollen bundesweit um mehr als die Hälfte abgenommen. Auch die Länder sind ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.
In ihren überfüllten und beengten Sammelunterkünften können sich die oft osteuropäischen Beschäftigten vor dem Virus kaum schützen, sondern werden auch schamlos ausgebeutet. Teilweise mussten Beschäftigte auch krank zur Arbeit, was die Ansteckungen zusätzlich vermehrte. Bereits seit Jahren steht das System von Subunternehmen und Werkverträgen, das in der Fleischbranche gang und gäbe ist, in der Kritik.
Bereits 2013 hatte die Süddeutsche Zeitung unter dem Titel „Lohnsklaven in Deutschland“ diese Verhältnisse angeprangert. In einer Rede im Bundestag 2013 hatte ich schon damals die Abschaffung von Werkverträgen und Leiharbeit gefordert.
Der damalige Sozialexperte der CDU, Karl Schiewerling, lehnte im Namen seiner Partei eine Veränderung der Gesetze ab. Ursula von der Leyen, damals Arbeitsministerin unter Schwarz-Gelb, erklärte zu den Werkverträgen:
‚Die Bundesregierung sieht zum jetzigen Zeitpunkt keinen Bedarf, den Abschluss von Werkverträgen stärker zu regulieren. Unternehmen steht es im Rahmen der geltenden Gesetze grundsätzlich frei, zu entscheiden, ob sie Tätigkeiten durch eigene Arbeitnehmer ausführen lassen oder Dritte im Rahmen von Werkverträgen beauftragen.‘
(Quelle: Kleine Anfrage DIE LINKE 2012)
Selbst die bulgarische Regierung hat dagegen protestiert. Vergeblich: Sieben Jahre lang blieb die deutsche Regierung untätig. Anträge und Gesetzentwürfe der LINKEN, die die unerträglichen Zustände beendet hätten, wurden immer abgelehnt.
Stattdessen war Clemens Tönnies gern gesehener Gast in Regierungsfliegern, wo er sich auf Delegationsreisen noch mehr Absatzmärkte erschließen konnte.
(Quelle: Kleine Anfrage DIE LINKE 2020)
Erst die Pandemie, eine Vielzahl von Infizierten, die Folgen für eine ganze Region und die daraus resultierenden bundesweiten Proteste, führten zu einem beherzten Eingreifen des Arbeitsministers Hubertus Heil (SPD). Auch der Druck der Opposition trug das Seine dazu bei. Im Juni führte ich ein Radio-Interview mit SWR Aktuell zur Praxis der Leiharbeit in der Fleischindustrie und in anderen Branchen.
Im Oktober redete ich erneut dazu im Bundestag:
Der Widerstand aus der CDU/CSU-Fraktion erschlaffte zunächst. Doch hat sich die Union schnell wieder gefangen. Bis zum 17. Dezember 2020 gelang es ihr, das Gesetz von Heil zu verzögern.
Das jetzt beschlossene Gesetz geht eigentlich in die richtige Richtung: verbindliche Kontrollquoten für den Arbeitsschutz sowie ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit. Nun bleibt Leiharbeit erlaubt, aber zum Glück nur für drei Jahre und bei gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Das ist zumindest ein Anfang.
Das Gesetz hat allerdings ein Schlupfloch. In Tarifverträgen können Ausnahmeregelungen vereinbart werden, die das Gesetz unterlaufen. Damit wird der Gewerkschaft NGG die Verantwortung zugespielt. Sie muss jetzt Tarifverträge verhindern, die schlechter sind als der gesetzliche Standard. In einer Branche, die kaum zu organisieren ist, ist das Verhandeln von Tarifverträgen kollektives Betteln. Die Gefahr dürftiger Tarifverträge ist deshalb groß.