Leiharbeit und Werkverträge eingrenzen und umfassend regulieren
Leiharbeit und Werkverträge eingrenzen und umfassend regulieren

Leiharbeit und Werkverträge eingrenzen und umfassend regulieren

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag steht – lassen Sie mich das zitieren -:

Die Koalition will die Leiharbeit auf ihre Kernfunktionen hin orientieren.
Was wären die Kernfunktionen bei Leiharbeit? Zum Beispiel Auftragsspitzen abbauen, zum Beispiel Personalengpässe ausgleichen. Wir sind weit von dieser Praxis entfernt, und ich kann bis jetzt noch keine Anstrengung der Koalition erkennen, das, was sie in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, auch umzusetzen.

Wie ist die Praxis? Leiharbeitnehmer und Leiharbeitnehmerinnen verdienen bis zu 30 Prozent weniger als die, die sonst im Betrieb fest beschäftigt sind. Leiharbeit wird eingesetzt, um den Kündigungsschutz zu umgehen. Dem Leiharbeitnehmer muss nämlich nicht gekündigt werden, wenn er aus dem Betrieb entfernt wird. Leiharbeit dient zur Disziplinierung der Stammbelegschaften, und Leiharbeit dient auch zur Durchlöcherung des Tarifsystems.

Meine Damen und Herren, Sie betreiben zurzeit einen großen Aufwand, um möglichst schnell ein Gesetz zur Tarifeinheit herbeizuführen, über das wir morgen diskutieren. Wenn Sie wirklich etwas für die Tarifeinheit tun wollen – denn jeder Leiharbeitnehmer und jede Leiharbeitnehmerin steht außerhalb des Tarifvertragssystems der anderen -, dann schaffen Sie endlich klare Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und regulieren Sie Leiharbeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Verhindern Sie, dass dort Menschen, die dieselbe Tätigkeit wie die anderen ausführen, entweder in einem anderen Tarifvertrag oder – wie meistens – in gar keinem beschäftigt sind. Da machen Sie nichts, sondern Sie schauen zu. Wenn Sie nur halb so schnell wie bei der Tarifeinheit wären, die Sie gesetzlich regeln wollen, dann hätten wir für viele Hunderttausende von Menschen bessere Arbeitsbedingungen und nicht das, was wir gegenwärtig erleben.

(Beifall bei der LINKEN – Albert Stegemann (CDU/CSU): Oder gar keine Arbeit!)

Leiharbeit dient auch dazu, Streikbruch zu organisieren. Gegenwärtig ist das bei der Deutschen Post der Fall, die sich in einem Arbeitskampf befindet. Die Deutsche Post ist zum Teil im Eigentum des Bundes. Wir haben Anfragen gestellt, wie Sie dort die Tarifflucht verhindern wollen. Sie tun so, als würde Ihnen der Betrieb gar nicht gehören und als hätten Sie als Eigentümer null Einfluss auf den Aufsichtsrat. Das ist unerträglich. Auch dort sage ich Ihnen: Wenn Sie wirklich etwas regeln wollen und Einfluss auf Leiharbeit nehmen wollen, dann verhindern Sie, dass bei der Post, deren Eigentümer Sie sind, Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt werden. Das wäre einmal eine gute Idee.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zu Ihren Vorschlägen im Koalitionsvertrag. Sie sagen, die Überlassungsdauer solle bei Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern auf 18 Monate begrenzt werden. Gleichzeitig wollen Sie regeln, dass nach 9 Monaten das gleiche Geld wie in der Stammbelegschaft zu zahlen ist. Warum eigentlich erst nach neun Monaten?

(Albert Stegemann (CDU/CSU): Einarbeitungszeit!)

‑ Einarbeitung. Da merkt man, dass Sie von der Praxis genauso viel Ahnung haben wie eine Kuh vom Fußballspielen.

(Beifall bei der LINKEN – Karl Schiewerling (CDU/CSU): Reden Sie nicht von Kühen!)
Wenn Sie Ahnung hätten, würden Sie wissen, dass jeder, der neu im Betrieb anfängt, egal ob er Leiharbeitnehmer ist oder nicht, natürlich nicht dasselbe Geld bekommt wie einer, der schon zehn Jahre beschäftigt ist. Es gibt in jedem Betrieb so etwas wie Einarbeitung. Dass aber der Leiharbeitnehmer noch einmal schlechtergestellt werden soll als der, der normal im Betrieb neu anfängt, ist nicht hinzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ungerecht ist das!)

Das ist auch deshalb nicht hinzunehmen, weil Sie genau wissen, dass in der Regel ein Leiharbeitnehmer im Schnitt gerade einmal 3 Monate beschäftigt ist. Was würde es ihm nützen, wenn die Überlassungsdauer auf 18 Monate festgelegt wird, wenn er nur 3 Monate beschäftigt ist? Was würde es ihm nützen, wenn er nach 9 Monaten gleichen Lohn für gleiche Arbeit kriegt, wenn er dann gar nicht mehr im Betrieb ist? Es ist doch nichts anderes als ein Placebo, was Sie hier in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben inzwischen ein Riesenproblem. Ein Drittel der Beschäftigten in der Metallindustrie sind als Leiharbeitnehmer oder als Werkvertragsbeschäftigte eingestellt. In der Automobilindustrie kommen auf 736 000 Stammbelegschaftsleute inzwischen 100 000 Leiharbeitnehmer und 250 000 Werkvertragsbeschäftigte. Da wäre Handeln dringend geboten. Sie aber sitzen dieses Problem einfach aus. Die Lage der Arbeitnehmer ist dramatisch: Zwei Drittel sind unter dem Niedriglohnsockel; sie sind oft Aufstocker und landen in Altersarmut.

Meine Damen und Herren, was tun? Unsere Forderungen sind ganz einfach: Gleicher Lohn bei gleicher Arbeit ab der ersten Stunde plus 10 Prozent wie in Frankreich! Warum soll der Arbeitnehmer in Deutschland schlechtergestellt werden als der Franzose? Warum?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es würde genügen, Leiharbeit für drei Monate zu akzeptieren. Dann müsste das in einen Vollzeitjob umgewandelt werden. Verbot von Streikbruch – ganz wichtig! Und: Synchronisationsverbot! Das heißt, der Leiharbeiter darf nicht nur für die Dauer, für die er verliehen wird, beim Verleiher eingestellt werden, sondern die Beschäftigung bei seinem Verleiher muss unbefristet sein. Das wären Regelungen, die dringend notwendig wären, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen zum Schluss: Die Linke ist eigentlich prinzipiell gegen Leiharbeit. Ich kann Ihnen sagen, warum. Ein Arbeitgeber stellt einen Arbeitnehmer nur dann ein, wenn er weiß, dass dieser ihn weniger kostet, als er ihm bringt; sonst macht es für ihn keinen Sinn. Ein Arbeitnehmer in einem normalen Arbeitsverhältnis muss einem Arbeitgeber die Kohle bringen. Bei einem Verleiher ist noch einer da. Da muss der Arbeitnehmer praktisch zwei Arbeitgeber bedienen. Er muss sozusagen für zwei Arbeitgeber gewinnbringend sein. Deshalb wird er auch schlechter bezahlt als woanders. Deshalb sagen wir: Leiharbeit brauchen wir nicht! Machen wir Ordnung auf dem Arbeitsmarkt! Schauen wir, dass jeder anständig beschäftigt wird – Vollzeit, unter Geltung von Tarifverträgen – und nicht verliehen wird wie eine Kuh!

Danke für das Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN)

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