Klaus Ernst (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, die Verhältnisse sind kompliziert; sie sind schwierig. Es ist auch durchaus einiges Richtiges gesagt worden; aber der Tenor des Antrags der Grünen ist doch klar: Man möchte durch Konfrontation mit der russischen Seite die Einhaltung der Menschenrechte befördern. Ja, aber glauben Sie ernsthaft, Herr Sarrazin, dass Sie durch mehr Konfrontation, durch mehr Härte gegen Russland die Verhältnisse in Russland in dieser Frage tatsächlich ändern? Seit fünf Jahren verhängen wir Sanktionen: Das hat nichts bewirkt, nicht im Geringsten! Und Sie glauben, dass es, wenn wir noch einen Schippe drauflegen, besser wird? Wie kommen Sie eigentlich zu dieser vollkommen irrsinnigen Annahme, Herr Sarrazin?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ich sage Ihnen: Es kommt eigentlich gerade darauf an, die Kontakte zu intensivieren, um in Gesprächen mit der russischen Seite auf Veränderungen hinzuwirken und anzusprechen, was aus unserer Sicht falsch ist.
(Beifall bei der LINKEN – Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Machen wir auch gerne!)
Wäre das nicht der viel sinnvollere Weg? Ich erschrecke über Ihre Überlegung, die Ukraine vielleicht mit Waffen zu beliefern. Damit wollen Sie die Menschenrechtslage in Russland verändern? Da frage ich mich: Haben Sie eigentlich einen im Tee?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Meine Damen und Herren, Ihr Vorschlag in dieser Frage, eine Verhärtung der Verhältnisse durch Konfrontation, insbesondere auch im Bereich der Wirtschaft, anzustreben, widerspricht nicht nur der Logik, das widerspricht auch den eigenen deutschen Interessen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass eine intensive Zusammenarbeit – gerade in wirtschaftlichen Fragen – die Verhältnisse eher stabilisiert und Gesprächskanäle offen lässt, was Sie offensichtlich infrage stellen. Deshalb kann ich Ihnen nur immer wieder die Worte des früheren Vorsitzenden des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Herrn Cordes, ans Herz legen. Er hat gesagt – und da hat er vollkommen recht -: Ein starkes Europa – an dem ja auch Sie Interesse haben sollten – ist ohne Einbeziehung Russlands nicht denkbar.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn Sie also an einem starken Europa interessiert sind, dann würde ich an Ihrer Stelle einige Punkte wirklich überdenken.
Meine Damen und Herren, zu einem vernünftigen Verhältnis gehört nämlich, auch die andere Seite – in diesem Fall die Russen – ein wenig zu verstehen und zu hinterfragen, warum sie eigentlich was machen. Deshalb möchte ich noch einen Blick auf die Geschichte werfen. Dass Russland aufgrund seiner eigenen Geschichte vielleicht ein besonderes Sicherheitsinteresse haben muss und hat, darüber haben wir in dieser Woche schon gesprochen. Aber ich erinnere auch daran, dass Gorbatschow bei der deutschen Einheit Zusagen gemacht worden sind, und zwar in dem Sinne – das Zitat wird Gorbatschow zugeschrieben -: Ganz gewiss wäre jede Erweiterung der NATO über ihren bisherigen Bereich inakzeptabel. – Heute haben wir ganz andere Verhältnisse. Die Russen haben der Wiedervereinigung zugestimmt unter der Bedingung der Nichtausweitung der NATO.
Herr Schmidt, Sie sagen: Expansionismus des Westens. – Nein, Sie meinen eigentlich den Osten. Aber den Expansionismus des Westens sehen wir doch praktisch: die Ausweitung der NATO –
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Herr Kollege Ernst.
Klaus Ernst (DIE LINKE):
– ich bin sofort fertig – näher an die Grenzen des Ostens. Ich sage deshalb: Für friedliche Verhältnisse, auch in der Zukunft, brauchen wir mehr Zusammenarbeit, mehr Verständnis für den anderen und keine „Hau-drauf-Politik“ der Grünen, vor der ich langsam wirklich Angst kriege.
Quelle: Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages