Unsere Probleme, unsere Chancen

Wofür steht die Linke?

von Klaus Ernst und Thomas Händel

Diese Frage stellten sich in den letzten Jahren nicht nur beobachtende Journalistinnen und Journalisten. Ein klares Profil war auch für viele unserer Wählerinnen und Wähler immer weniger erkennbar.

Im Deutschlandfunk Kultur analysiert z.B. der Parteienforscher Michael Koß: Wer Linkenpolitiker nach ihrem Hauptthema frage, bekomme ungefähr 20 verschiedene Antworten. „Das ist natürlich Teil des Problems“, so Koß. Er könne keine Themenhierarchie ausmachen.

Wir waren häufig mit Themen in der Öffentlichkeit, die dem Ansehen der  LINKEN nicht genützt und bisherige und potentielle Wähler/innen veranlasst haben, uns nicht mehr zu unterstützen.

Grundsätzlich gilt: eine linke Partei, deren Identität nicht darin besteht, die sozialen Interessen der Mehrheit der Bevölkerung zu vertreten, würde das Klassenziel verfehlen.

Zentral für unsere Politik muss sein, die politischen Verhältnisse so zu gestalten, dass für die abhängig Beschäftigten und die vielen Soloselbstständigen, deren Kinder, die große Zahl der Rentnerinnen und Rentner und die Erwerbslosen ein Leben in Würde, ohne Existenzangst, mit angemessenem Wohlstand gewährleistet ist. Dazu braucht es eine gerechte Verteilung des gesellschaftlich erwirtschafteten Wohlstands.

Deshalb muss die Sozialpolitik, ebenso wie alle Ebenen der Verteilungspolitik und unser Engagement für einen friedlichen und gerechten Umgang zwischen den Völkern, der Kern unserer Politik, unserer Identität sein.

Das war der Gründungskonsens, der 2007 die Vereinigung der WASG und der PDS zur Partei Die Linke möglich machte. Dieser Grundkonsens war es auch, der uns die Wahlerfolge bescherte, auf deren Grundlage wir seit 2005 im Bundestag vertreten sind und in die Landtage der neuen Bundesländer und ebenso in Landtage der alten Bundesländer einziehen konnten.

Ausschlaggebend dafür war, dass wir durch unser Profil, insbesondere im Westen, auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wie auch für Erwerbslose wählbar wurden, die durch die PDS alleine nicht erreicht wurden. Mindestlohn, Rentenniveau, der Abzug aus Afghanistan und Hartz IV waren unsere Themen, für die wir gemeinsam aus tiefster Überzeugung aufgestanden sind!

Von zentraler Bedeutung war auch, dass den führenden Repräsentant/innen unserer Partei durch ihr bisheriges politisches Engagement in den Gewerkschaften oder in anderen politischen Parteien und Verbänden das Eintreten für unsere Ziele geglaubt wurde und damit andere zur Mitarbeit gewonnen. In der Bundestagsfraktion 2015 waren Viele, die sich schon vorher einen Namen für soziale Gerechtigkeit gemacht hatten.

Gerade bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch bei Erwerbslosen und Rentnerinnen und Rentnern haben wir bei Wahlen in der letzten Zeit deutlich Stimmen verloren. Das ist angesichts der Themen, mit denen die Linke in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, auch nicht wirklich verwunderlich. Es waren zum einen vor laufender Kamera ausgetragene innerparteiliche Machtkämpfe oder eine Positionierung zu gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die uns zwar für die ein oder andere Initiative oder Bewegung, aber nicht mehr für jene, die bis vor kurzem unseren Erfolg als Die Linke ausmachten, als wählbar erscheinen ließen. Wahlniederlagen, für die eine gründliche Aufarbeitung bis heute aussteht, waren die Folge.

Worin Besteht der Gebrauchswert unserer Partei heute?

Der Klimawandel und die daraus resultierenden notwendigen Veränderungen, die Folgen von der Digitalisierung stellen zigtausende Arbeitsplätze in Frage. Qualifikationen der Menschen werden entwertet oder vollkommen überflüssig. Auch wenn neue Industriezweige und neue Dienstleistungen entstehen – ob sie den Verlust ausgleichen werden, ist aber zu bezweifeln.

Die Coronavirus Krise verschärft  die vorhandenen Probleme zusätzlich. Insbesondere Beschäftigte drohen die Verlierer zu werden.

Noch werden die Folgen dieser Prozesse abgemildert, doch die Auseinandersetzung nimmt schon Konturen an, wer die Lasten der Krise letztendlich bezahlt und ob die tiefgreifende Umwälzung rsp. Transformation zu vorwiegend zu Lasten derer geht, die wir vertreten wollen.

Die Linke hat die Kernaufgabe, sichtbar und eindeutig Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten und all jener zu sein, deren materielle und kulturelle Existenz bedroht ist.

1. Unseren Markenkern stärken

Unser Marken-Kern muss wieder stärker erkennbar werden.

Die Partei bedient viele Themen, das ist gut so, wenn aber der Markenkern Arbeit und Soziale Gerechtigkeit in den Hintergrund tritt und Chancen zur diesbezüglichen Profilierung unzureichend genutzt werden, muss man sich über Wählerverluste in den Arbeiterschichten nicht wundern. Ein aktuelles Beispiel ist das Entsendegesetz. Während im Europäischen Parlament durch die linke Seite des Parlaments völlig überraschend der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ durchgesetzt wurde, war ein besonderes Engagement zu diesem Thema unserer Partei nicht erkennbar. Zweifellos wäre das ein wichtiges Thema gewesen, das dazu geeignet wäre, unser Profil deutlich zu machen

2. Parlamentarische  und außerparlamentarische Arbeit in Einklang bringen

Die außerparlamentarische Arbeit, die Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen ist enorm wichtig.  Noch so viele Demonstrationen können aber nicht die Arbeit im Parlament ersetzen. Sinnvoll ist eine vernünftige Zusammenarbeit, die letztlich in politischen Mehrheiten münden muss. Wer den Parlamentarismus in Gänze ablehnt, muss dem potentiellen Wähler erklären, warum er/sie da rein will. Ohne parlamentarische Mehrheiten gibt es aber keine Veränderung.

3 . Verlorene Wählerschichten zurückgewinnen

Von wesentlicher Bedeutung für den Kampf um parlamentarische Mehrheiten sind die Kandidierenden, die eine Partei aufstellt, um ihre Ausrichtung deutlich zu machen.

Wenn wir als Partei wirklich erfolgreich sein und von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewählt werden wollen, müssen wir uns bemühen, hinreichend bekannte Repräsentant/innen der organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Kandidaten zu gewinnen und sie auch in herausgehobene Funktionen unserer Partei zu entsenden.

Der anstehende Generationswechsel bei den gewerkschaftlichen Repräsentant/innen nicht nur in der Bundestagsfraktion sollte uns veranlassen, jüngere, linke Gewerkschafter/innen und Gewerkschaftssekretär/innen zu nominieren, die für eine konsequente Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten in den Gewerkschaften stehen und nicht für den verbreiteten Krisenkorporatismus in den Gewerkschaften zu haben sind.

Mit ihnen kann es gelingen, verloren gegangene Wählerschichten zurückzugewinnen. Schließlich ist das Überspringen der 5%-Hürde kein Automatismus.

4. Wieder Klartext reden

Wichtig wäre auch, kryptische Begriffe wie „sozialökologische Transformation, „Infrastruktur-Sozialismus“ aber auch „Green New Deal“ so zu „übersetzen“ dass sie auch der berühmte „lesende Arbeiter“ (B. Brecht) verstehen kann.

Allzu viele Repräsentant/innen unserer Partei gibt es nicht, die diese Begriffe schlüssig durchdeklinieren können (machen Sie mal den Test – jetzt gleich – mit der Person, die zufällig neben ihnen steht). Sic!

Daran wäre zu arbeiten – dann klappts auch wieder mit den Arbeiterschichten, auch wenn sie sich nicht mehr dafür halten.

mdb-klaus-ernst.de / thomas-haendel.eu