Rede: „Ein Blick in die Realität ist hilfreicher als Selbstlob“
Rede: „Ein Blick in die Realität ist hilfreicher als Selbstlob“

Rede: „Ein Blick in die Realität ist hilfreicher als Selbstlob“

Sehr geehrte Herr Präsident, Frau Ministerin,

uns freut, dass die Zahl der Arbeitslosen ist zurückgegangen ist. Wir haben eine hohe Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter und im europäischen Vergleich eine sehr geringe Zahl Jungendarbeitsloser. Wer würde sich nicht darüber freuen?

Aber Frau Ministerin: All das darf nicht den Blick auf die Kehrseite der Medaille verstellen.

Seit dem Jahr 2000 stagnieren die Löhne. Fast 25% der abhängig Beschäftigten sind im Niedriglohnbereich, teilweise zu unwürdigen Hungerlöhnen. Wir haben den dereguliertesten Arbeitsmarkt in Europa, mit fast einer Million Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern. Immer mehr Menschen sind nur befristet beschäftigt oder über Werkverträge in Arbeit.

Das Hauptproblem allerdings ist folgendes: Trotz der Deregulierung des Arbeitsmarktes, der sogenannten Arbeitsmarktreformen, ist es NICHT zu mehr Beschäftigung bekommen: Der Indikator für die Beschäftigung ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden.

Im Jahr 2000 wurden 57,922 Milliarden Arbeitsstunden geleistet. 2013 waren es 58,072 Milliarden, also annähernd gleich viele. Deregulierung und Lohndumping führten eben nicht zu mehr Arbeit, sondern Arbeit wurde schlechter bezahlt und Arbeit wurde auf mehr Erwerbstätige verteilt – mit einer individuellen Zahl an Arbeitsstunden, von der niemand leben kann.

Eigenlob in dieser Frage von Seiten der Regierung völlig unangebracht! Aber ihre Politik folgt dem Motto „das Unterbewusstsein unterscheidet nicht, wer einem auf die Schultern klopft.“

Überhaupt keinen Grund zum Schulterklopfen haben Sie bei der Entwicklung der Langzeitarbeitslosen. Seit Jahren (Seit 2009) stagniert die Langzeitarbeitslosigkeit auf hohem Niveau und ist seit 2012 erstmal sogar wieder angestiegen. Gleichzeitig hat die letzte Bundesregierung die Ausgaben zur Eingliederung auch Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt drastisch gekürzt. Der Etat für Eingliederungsleistungen sank von 6,6 Milliarden 2010 auf 3,9 Milliarden Euro 2013.

Daran halten Sie in ihrem aktuellen Haushalt fest. Das ist fast eine Halbierung im Vergleich zu dem Status Quo vor 2010.

Legt man die durchschnittliche Pro-Kopf-Förderung aus dem Jahr 2010 (also vor den Kürzungen) zu Grunde, müsste angesichts der prognostizierten Anzahl an Arbeitslosen im SGB II (von fast 2 Millionen Arbeitslosen für 2014) der Etat bei mindestens 5,5 Milliarden Euro (also 1,6 Milliarden Euro höher) liegen.

Das fordern wir in unserem Antrag!

Mit den geplanten 3,9 Milliarden Euro bleibt der Haushaltsansatz für aktive Arbeitsmarktpolitik im SGB II weit hinter den Anforderungen zurück. Die Bundesregierung versucht offensichtlich, Langzeitarbeitslosigkeit durch Ausnahmen beim Mindestlohn zu regeln. Für Langzeitarbeitslose soll der Mindestlohn von 8,50 Euro nicht gelten.

Welch ein Unfug!

Welch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!

Wäre der Lohn das entscheidende Kriterium, dürfte es keine Langzeitarbeitslosigkeit geben, da jetzt Arbeitgeber jetzt die Möglichkeit hätten, einzustellen und niedrige Löhne zu zahlen, was sie offensichtlich nicht tun. Die beste Maßnahme gegen Langzeitarbeitslosigkeit ist Qualifizierung und Hilfen bei der Eingliederung!

Im Rahmen des „Zukunftsprogrammes“ der alten Bundesregierung wurden allein im Bereich der aktiven Arbeit und Soziales Kürzungen von 32 Milliarden beschlossen, davon allein 16 Milliarden Euro bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

In seinem Jahresgutachten 2014 resümierte der Paritätische Gesamtverband:

„Was Frau von der Leyen mit ihrer arbeitsmarktpolitischen Abrissbirne noch stehen gelassen hat, ist ein Feld arbeitsmarktpolitischer Verwüstung.“

An diesem Kürzungsprogramm halten Sie fest!

Ich kann Ihnen nur nahelegen, unseren Antrag anzunehmen.

Auch eine zweite Ungerechtigkeit lassen Sie so wie sie ist und machen nicht die geringsten Bemühungen, soziale Gerechtigkeit herzustellen: Nach wie vor wird Menschen im Hartz-IV-Bezug das Elterngeld vorenthalten.

Das hat Frau Schwesig noch als Sozialministerin in Meck-Pom heftig kritisiert.

„Noch nie hat es eine derart tatenlose Bundesfamilienministerin gegeben, die dem Sparhammer der Bundesregierung gegen Familien nicht nur zustimmt, sondern dann auch noch öffentlich applaudiert. Schwarz-Gelb streicht der alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin das Elterngeld, der Hausfrau mit gut verdienendem Ehemann aber nicht. […] Das ist nicht nur sozial unverantwortlich, sondern auch fachlich purer Unsinn.“ (Pressemitteilung vom 16. September 2010)

Vielleicht ist es sinnvoll, Frau Nahles, wenn Sie sich mal mit Frau Schwesig über diesen Tatbestand unterhalten. Wir fordern: Die Anrechnung des Elterngeldes auf Hartz-IV muss zurückgenommen werden! Die Kinder von ALGII-Empfängerinnen und Empfängern sind gleich viel wert.

Und noch zu einer dritte Ungerechtigkeit möchte ich etwas sagen. Nach wie vor wird durch willkürliche Manipulation das Existenzminimum im ALG II Bezug kleingerechnet. Bereits am 25. April 2012 hat das Sozialgericht Berlin die Ermittlung des Existenzminimums für verfassungswidrig befunden!

Aber die Regierung sieht hier keinen Handlungsbedarf.

Der Fall liegt nun dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.

Eine sachgerechte Ermittlung des Regelsatzes für eine alleinstehende erwachsene Person (Regelbedarfsstufe 1) liegt bei 500 Euro.Deshalb muss der Regelsatz bei Hartz IV entsprechend angehoben und das Geld dafür im Haushalt bereitgestellt werden.

Auch das beantragen wir!

 Die Kürzungsbeschlüsse der Schwarz-Gelben Koalition aus den letzten Jahren müssen zurückgenommen werden. Es waren Beschlüsse, die die SPD damals selbst kritisiert haben. Aber in Regierungszeiten sieht die Welt ja bekanntlich immer anders aus.

Abschließend möchte ich der  Bundesregierung noch raten: ein Blick in die Realität ist hilfreicher als Selbstlob.

 

 

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